Asen und Asinnen

Mächtiges haben die Götter in Wahrheit da vollbracht,

Als Erd' und Himmel also erstund durch ihre Macht;

Sonne und Himmelssterne hatten Stätte jetzt;

Geschieden waren die Tage, die Zeiten waren gesetzt.

Dazu erbauten die Asen die Burg inmitten der Welt:

Asgard ist sie geheißen , der keine gleich sich stellt.

Nun aber will ich einmal vor aller Menschen Scharen

Herzählen alle Götter, die dort in Asgard waren.

Das kann ich , soll ich der Asen und Alben Namen wo

Und ihre Zeichen sagen. Wenige können so.

Zwölfe sind der Asen von Götterart entstammt,

Und nimmer sind die Asinnen von minder heiligem Amt.

 

 

 

Wodan (Odin) ist der Asen erster weit voraus;

Wie Kinder einem Vater, dient ihm sein ganzes Haus.

Er hat der Namen viele; Altvater aber heißt

Der Gott als aller Götter und Menschen Vater zumeist.

Das ist sein höchster Name, der zweite Herian,

der dritte der ist Neckar, der vierte Nix sodann,

Zum fünften heißt er Füller, zum sechsten Wunsch so hehr,

Wahn heißt er dann zum siebenten,

Beblind zum achten mehr.

Zum neunten und zehnten

Schwinder und Schwenderer zumal

Zum elften heißt er Wetter und Alk zur zwölften Wahl.

Walvater heißt er ferner; Wunschsöhne sind ihm die,

So auf der Walstatt (Schlachtfeld) fallen; von dannen schaffen sie

Walküren fort nach Walhall und Wingolf in den Saal;

Sie heißen da Einheerer, gar groß ist ihre Zahl

Er heißt auch Sieggott, Hangegott und Hastgott, Lastengott.

Verschieden sind die Namen , doch ist's derselbe Gott.

Er heißt auch Grimm und Gangler und Dank und Helmber,

Wunderer und Tunderer, Ebenhehr und Hehr,

Dritt, Helblind, Sand und Schweifer,

Wahrsager und Mildauge,

Heerheiter, Böswerk, Grimmer, dazu Flammenauge.

Siegvater, Langbart, Tiefhut, Neckwunder, Truggeschwind.

Und Vielgeschwind, Ausreiter: dies Wodans Namen sind.

Mit einem einzigen Namen nannt' er sich nimmer und nie,

Seitdem er fuhr als Wandrer zu Erdenvölkern hie.

Als Schlitterer zog er den Schlitten,

als Droher geht er zum Ting,

Gundler hieß er und Herbart, wenn er zu Göttern ging;

Wecker, Wacker, Schilbung, Wabwind, Ruhmesgott,

Weber, Gaut und Schweber, Schrecken, Männergott.

Allvaters erste Gattin, das war die heilige Nacht,

Die hatte ihm als Tochter die Erda dargebracht,

Als unter Onars Namen er ihre Liebe errang;

Das war im ersten Alter der Welt, vor Zeiten lang.

Erda, Wodans Tochter, ward Wodans zweites Weib;

Den überstarken Donner (Donar/Thor) gebar ihr edler Leib.

Sein dritts Weib ist Fricka, Fergwins Tochter hehr;

Von dieser stammen viele der edlen Asen her.

 

 

 

Doch Donner ist der erste von Wodans Söhnen, Tor

Und Asenthor geheißen oder Wagenthor,

Der stärkste aller Götter und aller Menschen hier,

Sein Land und Reich heißt Trudwang,

die Halle Wolkenschier.

Fünfhundert und vierzig Golfe mit Bogen sind darin;

Es ist der Häuser bestes, gebalkt mit klugem Sinn.

Er ist der Herr des Wagens, den die zwei Böcke ziehn,

Zahnknirscher und Zahnknisterer, die wie der Blitz hinflieh'n.

Er hat drei Kostbarkeiten: den Hammer, Malmer (Mjölnir) genannt

Der brach gar manchen Schädel; er ist den Riesen bekannt.

Das zweiter ist der Machtgurt; wenn er den um sich spannt,

Da wächst ihm um die Hälfte die Asenmacht zuhand.

Ein drittes Ding noch hat er: der Eisenhandschuh Kraft,

Die mag er nicht wohl missen für seinen Hammerschaft.

ER heißt der Sohn der Erda, Meile's Bruder dann,

Wings's und der Lora Pflegling, der Sippe rechter Mann;

Die trug ihm seine Tochter, die wunderschöne Trud.

Die Riesen Eisensaxa gebar ihm den Macht und den Mut.

Kraftwalt der Götter, Weiher Asgards und Mittgards auch,

Ihn also anzurufen, ist mancher Männer Brauch.

Doch keiner ist so weise, daß er erzählen kann

Alle seine Taten; und fing ich davon an,

So würden Stunden vergehen, bis ich mit allem Fleiß

Alles gekündet hätte, was ich hörte und weiß.

 

 

 

Der zweite Sohn des Wodan ist Balder, und von ihm

Ist Gutes nur zu sagen und was ihm wohl geziem'.

Ihn loben alle; von Antlitz ist er so prächtig und schön,

Daß es weit von ihm leuchtet. Ein Kraut nur ist zu seh'n,

Aller Gräser weißestes, das Balders Brauen gleicht;

Und davon mögt ihr merken des Gottes Schönheit leicht,

Beides am Haar und am Leibe. Er ist der weiseste As,

Der mildsamste, beredtste; ihm eignet ferner das,

Daß keiner seine Urteile jemalen schelten kann.

Er wohnte am Himmel in Breidablick,

nichts Böses kann da heran.

Sohn Wodans und der Fricka, Nannas Ehgemahl,

Forsetes (Forseti) Vater, Eigner des Schifs und Rings zumal,

Feind Haders (Hödur), Hels Geselle, der gute Tränengott:

So ward er angerufen von Menschen in der Not.

 

 

 

Der dritte unter den Asen ist aber Niord genannt;

Bei Naustatt dort am Meere hat er seinen Stand.

Er lenkt den Gang des Windes, legt Meer und Feuer bei.

Man hat ihn angerufen zur See und Fischerei.

Er ist gutreich, wohlhabend, so daß er geben mag

Gut und fahrende Habe dem Mann, der ihm behag'.

Niord ist jedoch mitnichten von gleichem Asengeschlecht;

Er ward erzogen in Wanheim, desgleichen Wanengott,

Der Vater Fro's und Freias, der gütergebende Gott;

Er ist bei allen Asen von Tadel frei und Spott.

Er richtet über Regen und über Sonnenschein,

Auch über alles Wachstum. Er ist es, der allein

Um Ernte und um Frieden angerufen ward,

Zudem von reichen Männern und Frauen edler Art.

 

 

 

Sohn Niords, der Freia Bruder, Wansproß, Wangot, Wan,

Und Jahresgott, Gutgeber; also rief man ihn an;

Auch Eigner des Schiffs Schlittplatt, des Ebers, der da heißt

Goldborst oder Schlitzzahn, doch Ingo-Fro (Freyr) zumeist.

Der beste aller Reiter in Asgard ist er dann;

Kein Mädchen macht er weinen,

er löst aus Banden den Mann.

 

 

 

Der fünfte ist ein Ase, der da Zio (Tyr/Tiwaz) heißt;

Er ist gar kühn und richtet über den Sieg zumeist.

Drum war der Kriegesmännern ihn anzurufen gut.

Er ist kein Friedensstifter; nach Streit begehrt sein Mut.

Er wird auch Himes Pflegling, sonst Wodans Sohn genannt,

Wolfsfütterer und Wegegott, zum Schlusse Einhand.

 

 

 

Brage (Bragi) heißt der sechste, des Weisheit ist bekannt.

Er ist des Wortes fertig, der Sprache wohl gewandt.

Er ist es, der am meisten die Dichtkunst weiß und kann.

Hauptschmied des Gesanges, Langbärtiger, Iduns Mann:

So wird er angerufen. Auch er ist Wodans Sohn,

Er gibt der Dichtkunst Gabe den Seinigen zum Lohn.

 

 

 

Heimdall ist der siebente, der weiße Ase genannt.

Er ist gar groß und heilig; von ihm ist dies bekannt,

Wie wunderbar geboren er ward in Urzeit schon:

Neun Müttern war er Mage, neun Schwestern war er Sohn.

Ihn trugen neun der Schwestern, entstammt aus Riesenland,

Den friedeberühmten Asen dort an der Erde Rand:

Gelt, Greif, Eistla, Urgeba, Wolfrun, Angeia, Sind,

Atla und Eisensaxa gebaren so das Kind.

Er ward genährt mit Erdkraft, mit hehrem Sühnenblut

Und kalter See. Die Zähne sind ihm von Golde gut.

Er wohnt in Himmelbergen, allwo die Brücke steht;

Da trinkt er im wonnigen Hause froh jenen guten Met.

Er ist der Wart der Götter und sitzt am Himmelsrand

Und waltet der Weihestätten und schützt mit treuer Hand

Die Brücke (Bifrost) vor der Riesen drohendem Überfall.

Minder Schlaf bedarf er als selbst die Vögel all.

Er sieht vielhundert Rasten entfernt so Nacht wie Tag,

Wobei er Gras und Wolle auch wachsen hören mag.

Gellerhorn (Giallarhorn) geheißen ist sein Horn; das hört

Man über alle Heime, Haupt ist genannt sein Schwert.

Sein Hengst der heißet Goldzopf (Gulltop). So rief man selbst in an:

Sohn der neun Urmütter, Glattschlitter, Goldenzahn,

Weißer Ase, Wärter der Götter und ihr Genoss'

Windler, Eigner des Goldzopfes; er ist auch Wodans Sproß.

 

 

 

Hader (Hödur) ist der achte der Asen; der ist blind,

Und seine Macht ist mäßig; doch wäre den Göttern gedient,

Wenn sie den unter den Asen nicht nennen dürften mehr:

Sein Werk wird lange haften im Sinn der Götter schwer.

Des Mistelzeiges Schießer heißt er und Hels Genoss',

Balders Töter, Wales Feind und Wodans Sproß.

 

 

 

Widar (Vidarr) heißt der neunte, der schweigende Ase dazu,

Der stärkste Gott nach Donner, Er hat die Eisenschuh'.

Von diesem haben die Götter in allen Bedrängnissen Trost,

Drum ward er zum Rächer der Götter,

zum Töter des Wolfs erlost.

Drum wird er der Wiedererbauer der Vaterstätten genannt,

Als Bruder aller Asen und Wodans Sohn erkannt.

 

 

 

Ale oder Wale (Wali), so heißt der zehnte Gott,

Wodans Sohn und Rindas, tapfer in Kriegesnot.

Und gar ein guter Schütze, wie man ihn rühmen soll,

Er ist der Fricka Stiefsohn, ihm ziemt der Ehre Zoll

Als Rächerase Balders, Haders Töter und Feind,

Erbauer der Vaterstätten, der einst mit Widar vereint.

 

 

 

Uller heißt der elfte, Der Sippe eigen Blut,

Des edlen Donner Stiefsohn, ein Bogenmann gar gut

Und Schlittschuhfahrer; keiner ist, der ihm gleichen kann.

Er ist gar schön von Antlitz gleich einem Heeresmann.

Er wurde angerufen im Einzelkampf und Not,

Als Schlittschuhherr und Bogenas, Weidase, Schildergott.

 

 

 

Forsete (Forseti) heiß der zwölfte, der ist des Balder Sproß,

Nanna, die Tochter Gewars und Neps, sie zog ihn groß.

Er hat den Saal im Himmel, der da Glitzer heißt,

Allwo die Säulen von Golde, das Dach von Silber gleißt.

Da waltet und wohnt Forsete wohl den ganzen Tag

Und schlichtet alle Streite, die man ihm bringen mag;

Und alle, die ihm nahen, die sind versöhnt sofort.

Das ist bei Göttern und Menschen zum Richten der beste Ort.

 

 

 

Zwei sollen zu den Asen auch noch gerechnet werden;

Die sitzen auf Wodans Hochsitz,

wenn über Himmel und Erden

Allvater pflegt des Gerichtes, da gilt ihr Rat gar sehr

 

 

 

Der erste heißet Hainer (Hönir), der schnelle Ase hehr,

ER heißt auch Wodans Sprecher, Beisitzer und Genoss'

Und Wasserkönig, Langfuß, traun, seine Macht ist groß.

 

 

 

Als letzter Ase und Wodans Beisitzer wird genannt,

Der als der größte Lästerer der Götter ist bekannt:

Loder oder Loke (Loki), des Riesen Farbaut Kind;

Und seine Brüder heißen Glanzauge und Helblind,

Laubeia seine Mutter, er ist schön von Gesicht,

Verständig über viele, ein ganz verschlagener Wicht.

Viel Böses schafft er den Göttern,

doch löst er sie auch davon.

Sein Eh'weib heißt Sigune, Narwe heißt sein Sohn.

doch hat er noch andere Kinder von jenem Riesenweib,

Angerboda in Riesenheim; und es gebar ihr Leib

Drei Kinder: erst den Fenrirwolf, dend Mittgardswurm sodann

Und Hela (Hel) noch, von denen die Welt viel Leid gewann.

Das ist der Feind der Götter, doch Wodan ist ihm gut,

Weil beide in Urzeiten zusammenmischten ihr Blut.

 

 

 

Wie heißen nun die Asinnen? Die erste Asin heißt

Fricka, deren Halle Fensal prächtig gleißt.

 

 

 

Die zweite heißet Saga, sie wohnt in Sagabach

An einer schönen Stätte; dort trinkt sie im Goldgemach

Froh aus gold'nen Bechern mit Wodan kühlen Met,

Allwo die kühle Woge rauschend drüber geht.

 

 

 

Heil heißt die dritte Asin, der Heilfrau'n beste sie;

Mit ihren Schwestern sitzt sie sicher vor Freias Knie.

Dietwara, Holda, Berta, Lebenskraft und Leben,

Mild, Heil, Aurboda, Frieda, die Schwestern neun, sie geben

Dord auf dem Lebensberge Heilung allen Frommen,

die ihrer da bedürfen und hin zu ihnen kommen.

 

 

 

Gesion heißt die vierte der Asinnen, die Maid;

Und die als Maide sterben, die dienen ihr allzeit.

Doch trug sie einst vier Söhne von wildem Riesenblut.

Sie kennt der Menschen Schicksal wie Wodan ebensogut.

 

 

 

Fulla heißt die fünfte, auch sie wird Maid genannt;

Sie trägt das Haare lose und um das Haupt ein Band.

Sie raunt gar heimliche Räte der hehren Frica zu.

Sie wahrt des Schreins der Göttin und ihrer goldenen Schuh'.

 

 

 

Freia ist nach Fricka ausgezeichnet zumeist.

Sie ward dem Manne gegeben, welcher Oder heißt.

Oder fuhr lange Wege; nach ihm weint Freia hold;

Da wurden ihre Tränen lauter rotes Gold.

Freia hat viele Namen; die trug sie damals nur,

Als sie zu fremden Völkern, Oder zu suchen, fuhr:

Meerdold, Horn und Geberin und Syr, so heißt die Holde.

Sie schmückt sich mit demHalsschmuck,

dem edlen Brisinggolde.

Volkwang ist ihre Wohnung, Seßraum ist ihr Saal,

Wo sie der Sitze gebietet. Sie kürt die Hälfte der Wahl,

Wenn sie zum Kampfe reitet bei Helden manchen Tag,

Indes die and'ren Wodan nach Walhall bringen mag.

Sie fährt mit zweien Katzen, wenn sie im Wagen sitzt.

Sie ist es, die am meisten anrufende Männer beschützt.

Nach ihr sind edle Weiber auch Frauen hier genannt.

Den Minnesang, den liebt sie. Auch das ist wohlbekannt,

Daß Freia in der Liebe gut anzurufen sei.

Auch Wanengöttin heißt sie, Niords Tochter,

Schwester des Frei.

 

 

 

Die siebente Asin ist Sippia (Sif), die mächtig Sorge trägt,

Daß stets der Mut der Menschen zur Liebe sich bewegt.

Mutter der Trud und Ullers, Donners rechtes Weib,

Haarschöne Göttin: also preist man ihren Leib.

 

 

 

Die achte Asin ist Liebe; sie ist so gut und Mild,

Daß sie Urlaub von Fricka und Wodan auch erhielt,

Die Menschen zusammen zu bringen,

wenn es auch anders schwer

Auf Erden geschehen könnte oder verboten wär'.

 

 

 

Wehre heißt die neunte; sie hört der Männer Eid

Und straft die Eidesbrecher auf Erden aller Zeit.

 

 

 

Wahra heißt die zehnte, sie ist gar weise und späh',

Keiner kann verbergen ein Ding vor dieser je.

 

 

 

Sühne heißt die elfte; sie sitzt am Hallentor

Und schließt es ab vor jenem, der bleiben soll davor.

Sie kommt auch zu Gerichte und hilft dem frommen Mann,

Daß er sich von der Rache durch Sühnung lösen kann.

 

 

 

Lehne heißt die zwölfte; ist ist gesetzt zur Wacht

Den Männern all, die Fricka zu schützen ist bedacht.

 

 

 

Die dreizehnte heißt Snotra, die höflich ist und weis',

Frauen wie auch Männer singen ihren Preis.

 

 

 

Gna heißt noch eine Asin, die sendet Fricka aus

Zu allen ihren Geschäftenin jedes Land und Haus.

Nicht fliegt sie, doch sie reitet durch Luft und Wind und Welle

Auf Hufwerf, den Gardrofa mit Hamskerp zeugte,

die schnelle.

 

 

 

Auch Sonne, Wolke, Erde und Rinda, Mutter des Wal,

Die sind mit Fug gerechnet unter der Asinnen Zahl,

Und Idun (Iduna), Brag's Gattin; die hegt in ihrem Schrein

Die Äpfel, so die Götter genießen ganz allein.

Durch dieser Äpfel Tugend bleiben sie frisch und jung

Bis an das Ziel der Zeiten, die Götterdämmerung.

 

 

 

Das sind die Asen alle, die Asinnen dazu,

Die dort im neuen Asgard pflagen seliger Ruh'.