Die Götter
Odin ist das Oberhaupt der Asen. Er ist
weise und des Zaubers mächtig; der König der Götter. Sein Tag ist der
Onsdag (Odins Dag - Mittwoch). Seine Frau heißt Frigg; ihr
Tag ist der Fredag (Friggs Dag - Freitag). Odins Pferd heißt Sleipnir
und hat acht Beine.
Odin hat auch zwei Raben - Huginn und Muninn. Jeden Morgen fliegen sie um
die Welt, um zu sehen und zu hören, und am Abend kommen sie heim und
tragen Odin alle Neuigkeiten zu. Odins Speer heißt Gungnir, und er trifft
jedes Ziel. Von Odins Ring - Draupnir (Träufler) - tropfen jede
neunte Nacht acht gleich prachtvolle Ringe ab. Odin hat nur ein Auge. Das
andere verpfändete er einst in seiner Jugend an den Riesen Mimir,
um aus der wunderbaren Quelle der Weisheit trinken zu dürfen, die Mirmir
bewachte. Später wurde Mimir enthauptet und Odin fand das blutige Haupt
des Riesen und salbte es mit heilenden Kräutern. Sofort konnte er wieder
sehen und sprechen. Seitdem ist Mimirs Kopf einer der besten Berater
Odins.
Odins Sohn Thor ist der zweitmächtigste der Götter. Sein Tag ist
der Torsdag (Donnerstag). Thor ist stark und hitzig und geht nie
einer Möglichkeit aus dem Weg, mit Riesen oder Trollen einen Kampf
auszufechten.
Obwohl Tyr, dessen Tag der Tirsdag (Tyrs Dag - Dienstag)
ist, ihn vielleicht an Mut übertrifft, gibt es auf der ganzen Welt
niemanden, der so stark ist wie Thor. Sein Hammer - Mjøllnir - ist
die gefährlichste Waffe im Himmel und auf Erden. Thor kann ihn so klein
oder groß machen, wie er will. Wirft er den Hammer, trifft dieser alles,
worauf der Gott zielt und kehrt immer wieder in seine Hand zurück. Wenn
Thor auf Reisen geht, spannt er Ziegenböcke statt Pferde vor den Wagen.
Selbst wenn die Böcke am Abend geschlachtet werden, sind sie am nächsten
Morgen wieder quicklebendig - vorausgesetzt, man achtet genau darauf, beim
Essen keinen einzigen ihrer Knochen zu brechen und alle Reste zu sammeln
und sie nach Beendigung der Mahlzeit schön säuberlich in ihr Fell zurückzulegen.
Wenn Thors Wagen am Himmel entlangfährt, haben wir Gewitter (Thor =
Donner).
Thor zog mehrmals nach Jøtunheim aus, um seinem Haß gegen die Riesen
Luft zu machen und einige von ihnen zu töten. Bei diesen Reisen war meist
Loki sein (augenscheinlicher?) Freund und Begleiter. Einmal wurde
Thor im Schlaf von dem Riesen Trym sein Hammer gestohlen. Loki borgte sich
von Freyja die Falkenfedern (siehe unter Freyja) und flog nach Jøtunheim,
um Thor zu helfen. Trym wollte nämlich Freyja zur Frau haben, und so
verkleidete sich Thor als Freyja. Beim Hochzeitsmahl im Riesenreich wird
endlich auch Mjøllnir als Brautgeschenk herbeigebracht, und kaum hat Thor
seinen Hammer wieder, erschlägt er zuerst Trym und dann sein ganzes
Geschlecht. Thors Frau heißt Sif.
![](sif.jpg)
Ihr Haar ist aus Gold (nachdem Loki es ihr
einmal abgeschnitten hatte, befahl Tor den Zwergen, für Sif goldenes Haar
herzustellen, und es wuchs fest, sobald es an ihren Kopf kam), und von
allen Göttinnen ist nur die Liebesgöttin Freyja schöner als sie.
Freyja verreint Schöpferkraft und Destruktivität in ein und der
selben Gottheit.
![](freya.jpg)
Sie lehrte die Götter das Zaubern und besitzt
ein magisches Falkengewand, mit dem sie sich jederzeit in einen Raubvogel
verwandeln kann. Jeder, der in Herzensangelegenheiten Rat und Trost sucht,
wendet sich an Freyja. Doch sie hat selbst einen für alle Zeiten und
Ewigkeiten währenden Liebeskummer. Ihr Ehemann Od hat sie verlassen und
ist seiner Wege gegangen, und niemand weiß, wohin. Freya weint oft
bittere Tränen um ihn, und ihre Tränen sind jedesmal aus reinstem Gold.
Freyja fährt in einer Kutsche, vor die zwei Katzen gespannt sind. Sie
besitzt den herrlichen Brustschmuck Brisingamen.
Freyjas Bruder heißt Frey. Dieser Name bedeutet "der
Herr" oder "der Vornehmste". Er ist der Gott der
Fruchtbarkeit. Eigentlich stammen sowohl er als auch Freyja aus dem
Geschlecht der Wanen (also dem Göttergeschlecht, mit denen die Asen
einst am Anfang aller Zeiten um die Weltherrschaft kämpften). Das
Geschwisterpaar kam ursprünglich zusammen mit seinem alten Vater als
Geiseln zu den Asen. Frey besitzt den phantastischen Eber mit den goldenen
Borsten Gullinborsti, das Schwein, das sich zu Lande, zu Wasser und in der
Luft gleich gut bewegen kann! Und er besitzt das magische Schiff Skibladnir,
das immer nur in achterlichem Wind fährt, und das man nach Verwendung wie
ein Tischtuch zusammenfalten und in einen Beutel stecken kann.
Bei den Göttern in Asgard gibt es zahlreiche andere herrliche Schätze,
von denen die magischen Äpfel, die die Göttin Idun hütet, die
kostbarsten sind.
![](iduna.jpg)
Es sind die Äpfel der ewigen Jugend, von denen
die Götter hin und wieder ein Stück essen müssen, um unsterblich zu
bleiben.
Heimdall, ebenfalls ein Sohn Odins, wurde vor Urzeiten auf
wunderbare Weise von neun (!) Riesenmädchen geboren und ist der Wächter
der Götter. Er wohnt am Himmelsberg und bewacht die nach Asgard führende
Regenbogenbrücke Bifrøst. Heimdall braucht weniger Schlaf als ein
Vogel, er sieht nachts genauso gut wie am Tage und kann das Gras wachsen hören.
Heimdall besitzt das Horn Gjallarhorn, in das er am letzten Tage
blasen soll, um die Asen zum letzten großen Kampf gegen Trolle und dunkle
Mächte zu den Waffen zu rufen.
Heimdall und Loki sind Todfeinde. Einmal stahl Loki den Schmuck
Brisingamen von Freyja und versteckte ihn im Meer bei Singastein, wo er
ihn in die Obhut einer Robbe gab. Heimdall jedoch verwandelte sich in eine
Robbe und zwang Loki, den Schmuck wieder herauszugeben. Die Weissagung
lautet, daß Heimdall und Loki einst bei Ragnarøk einander umbringen
werden.
Balder ist der Sohn von Odin und Frigg und der Gott der Unschuld.
Er ist blond und schön und bekannt für seine Freundlichkeit, Milde und
Klugheit. So lange er lebte, konnten Gewalt und Bosheit unter den Göttern
nicht siegen. Doch die Zeit kam, daß Balder schlecht träumte und Angst
bekam, zu sterben. Dank seiner Mutter jedoch, der mächtigsten aller Göttinnen
von Asgard, schwörten alle lebenden und nicht lebenden Wesen und Dinge,
Feuer und Wasser, Eisen und Steine, die Erde, die Bäume, Krankheiten,
Tiere und Drachen, daß sie ihm niemals etwas antun würden. Nun fühlten
sich alle Asen sicher und beschlossen, daß Balder vor die Versammlung
treten solle, während sie mit allerlei Sachen auf ihn schießen würden.
Der Intrigant Loki jedoch verwandelte sich in eine alte Frau und ging zu
Frigg, um scheinheilig herauszufinden, ob wirklich nichts und niemald
Balder schaden könne. Frigg hatte nämlich den Mistelzweig nicht schwören
lassen, da er ihrer Meinung nach zu jung war, um einen Eid abzulegen. Dies
erfuhr der verkleidete Loki von Frigg und schnitt den Mistelzweig ab. Er
ging zurück in die Versammlung und fragte Balders blinden Bruder Hød,
warum er nicht schieße. Ich sehe ja nicht, wo er ist, antwortete Hød.
Ich zeige es dir, sagte Loki, du sollst wie alle anderen auch schießen dürfen.
Er gab Hød den Mistelzweig und führte ihn direkt hinter Balder, wo Hød
ihn nicht verfehlen konnte. So wurde Balder getötet. Dies ist das größte
Unglück, das jemals die Götter und Menschen gerammt hat. (Man bemerke
die feine Parallele zum Christentum, daß ausgerechnet der schuldloseste
und reinste, und dazu Sohn des obersten Gottes, wegen der Bosheit anderer
sterben mußte. Balder gilt auch als Beweis, daß schon in so alten
Zeiten, zu denen die norrøne Mythologie entstand, sich die Menschen zu
etwas Höherem aufringen konnten.) Odin trug Balders Tod am
schwersten, denn er war der weiseste unter den Asen und konnte am ehesten
einschätzen, wie groß der Verlust Balders war.
Die Asen sandten berittene Boten ins Totenreich, damit sie Hel fragen
sollten, was sie für Balders Rückkehr verlange. Hel, die Königin des
Totenreiches, sagte, wenn die ganze Welt um Balder weine, solle er wieder
lebendig werden. Und alle Dinge und Wesen, selbst die Steine und Bäume,
versuchten (vergeblich), den Toten ins Leben zurückzuweinen, denn
Loki als einziger verwandelte sich in einen Zwerg und weigerte sich, zu
weinen. Was Hel habe, das solle sie behalten, sagte er.
Quellenangaben:
- Norrøne Gude- og Heltesagn von P.A. Munch
- Nordische Mythologie, herausgegeben von Nytt fra Norge für das Hgl.
Norwegische Außenministerium, Autor Tor Åge Bringsværd |