40. Gunnars Harfenschlag
(Dieses
Lied entdeckte Edmund Magnussen 1780 in Island. Es wurde im 18.
Jahrhundert verfaßt, vermutlich von dem Gelehrten Gunnar Pâlsson (gest.
1725). Thematisch schließt es sich an Lied 35, "Atlamal - Das
jüngere Atli-Lied" an.) 1.
Einst
war's daß Gunnar den Tod erwartete, Giukis
Sohn, in Grabaks Saal. Die
Füße waren frei dem fürstlichen Erben, Die
Hände mit hartem Haft gebunden. 2. Die
Harfe gab man dem streitkühnen Helden, Da
zeigt' er die Kunst mit den Zweigen der Füße. Herrlich
trat er die Harfenstränge; Wie
der König konnte keiner spielen. 3. Solchen
Gesang sang da Gunnar; Die
Harfe spricht mit menschlicher Stimme, Nicht
süßer sänge sie, wär' sie ein Schwan; Der
Wurmsaal schallt von der Saiten Gold. 4. Die
Schwester sa ich unselig vermählt Ihm,
der den Bund den Niflungen brach. Her
lud Atli Högni und Gunnar, Seine
Schwäger beid, sie zu ermorden. 5. Statt
voller Kelche ward ihnen Kampf, Mordlich
Gefecht statt fröhlichen Mahls. So
lange Leute nun leben, heißt es: so
falsch an Freunden tat keiner zuvor. 6. "Wie
ahndest du, Atli, also den Zorn? Brynhild
stach sich selber tot, Sie,
die Sigurden erschlagen ließ. Was
willst du Gudrunen drum weinen lassen? 7. Der
Rabe schrie heißer vom hohen Baum, Uns
gefährde das Leben des Schwagers Fall. Auch
sagte mir Brynhild, Budlis Tochter, Uns
werde Atli übelisten. 8. Glaumwör
wußt's es wohl zuvor, Da
wir zuletzt beisammen lagen. Widrige
Träume schreckten mein Weib: "Fahre
nicht, Gunnar" Falsch ist dir Atli. 9. Deinen
Speer gerötet sah ich von Blut, Den
Erben Giukis den Galgen erbaut. Ich
dachte, die Disen lüden dich: Drum
traut nicht, Brüder, man will euch betrügen." 10. Auch
hub Kostbera an, Högnis Vermählte, Von
verritzten Runen abratenden Träumen. Doch
kühn war das Herz in der Helden Brust, Sie
bangten beide nicht vor dem bittern Tod. 11. "Uns
ist von den Nornen das Alter bestimmt, Uns
Erben Giukis, nach Odins Willen. Wider
das Schicksal, mag niemand sich setzen, Noch
von Heil verlassen dem Herzen vertraun. 12. Mich
lächert, Atli, daß du lassen mußt Die
roten Ringe, die Reidmar besaß. Ich
weiß allein nun, wo sie verborgen sind, Seit
ihr dem Högni nach dem Herzen schnitt. 13. Mich
lächert, Atli, daß dem lachenden Högni Den
hunnisch Heer nach dem Herzen schnitt. Nicht
ächzte der Niflung, als das Messer eindrang, Verzog
nicht die Braue bei dem bittern Tod. 14. Mich
lächert, Atli, daß du lassen mußtest So
manchen der Mannen, der mutigsten gar, Durch
unsere Schwerter, eh du's vollbrachtest. Unsre
hehre Schwester erschlug dir den Bruder. 15. Kein
furchtsam Wort bringt Gunnar vor, Giukis
Sohn, in Grafwitnirs Höhle. Nicht
wir er harmvoll Heervatern nahn, Längst
ist der Fürst der Leiden gewöhnt. 16. Eher
soll Goin ans Herz mir graben Und
Nidhöggr die Nieren saugen, Linn
und Langbackr die Leber zehren, Ehe
der Gleichmut Gunnarn verläßt. 17. Doch
wird es Gudrun grimmig rächen, Daß
uns Atli also betrogen hat. Sie
wird dir, Herrscher, die Herzen bringen. Deiner
Söhne gesotten zum Abendschmaus. 18. Aber
mit Met vermischt ihr Blut Sollst
du aus der Schädel Schalen trinken. Am
härtesten härmt dir aber das Herz, Wenn
dich Gudrun feige und grausam schilt. 19. Kurz
währt dein Leben nach der Könige Tod, Böses
bringt dir der Verrrat an den Brüdern: Wohl
scheinst du es wert, daß wir durch die Schwester, Die
notgezwungene, den Treubruch zahlen. 20. Dich
wird Gudrun mit dem Speer durchbohren, Zur
Seite soll ihr Niflung stehen. Hohe
Lohe wird deine Halle umspielen, Und
dann in Nastrand dich Nidhöggr saugen. 21. Grabak
schläft schon und Grafwitnir, Gion
und Moin und Grafwölludr, Ofnir
und Swafnir, die giftgeschwollenen, Nadr
und Nidhögger und die Nattern alle, Hring
und Höggwardr, vom Harfenschalle. 22. Alleine
wacht noch Atlis Mutter: Die
wendet das Herz mir bis an die Wurzel, Saugt
mir die Leber, frißt mir die Lunge, Läßt
nicht länger den König leben. 23. Verhalle
Harfe, von hinnen muß ich, Das
zweite Walhall bewohnen fürderhin, Mit
den Göttern trinken den teuern Met, Von
Sährimnir speisen in Odins Saal. 24. Gunnars
Harfenschlag ist ausgesungen, Mein
Lied erlabt' euch zum letzten Mal. Kein
Fürst wird hinfort mit der Füße Zweigen Die
hellen Saiten der Harfe schlagen." |