Über Wotan/Odin

Odin (südgermanisch WOTAN aber auch Wodan, Odinn oder Wode gennant) ist der oberste Gott der germanischen Mythologie. Er gilt als Göttervater, Dichtergott, Totengott, Kriegsgott, Schutzgott, Gott der Magie, der Runen und der Ekstase.
Er ist der Sohn von Bor und somit ein Enkel von Buri, dem Urvater der Götter. Seine Brüder sind Vili und Ve. Gemeinsam mit ihnen tötet Odin den Urriesen Ymir und erschafft aus dessen Körper die Welt. Er ist Vater der folgenden Götter:
Thor, ihn zeugte er mit der Erdmutter Jörd. Baldr, Hödr, Hermod, Hödur zeugte er mit Frigg. Vali und Widar erzeugte er mit den Riesinnen Rind und Grid und Heimdall erzeugte er mit den neun Töchtern der Ran. Seine Ehefrauen sind Frigg, Fjorgyn und Rind. Seine Markenzeichen sind sein Speer "Gungnir", seine Einäugigkeit, sein Ring "Draupnir", sowie seine Raben Hugin (Gedanke) und Munin (Gedächtnis) und seine Wölfe Geri (der Gierige) und Freki (der Heißhungrige).
Er ist von allen nordischen Göttern einer der tragischsten und edelsten. Seine Weisheit ist unermesslich und allumfassend. Sie ermöglichte ihm, in die Zukunft zu sehen.
Odin steht als Sinnbild für den Geist des Universums, und er ist der Beschützer der Krieger, deren Herzen ehrlich und mutig sind.
Nahezu alle Götter Asgards stammen von ihm ab. Von seinem Thron (HLIDSKJALF) aus kann er alle neun Welten überblicken. Jeder dieser Welten besucht er in einer anderen Gestalt, zum Beispiel: Mit Mantel, Schlapphut und Stab bekleidet, prüft er als Grimnir die Gastfreundschaft der Menschen in Midgard. Dabei entscheidet das Verhalten des Gastgebers, um dessen Gunst bei Odin. Zur Vorweinachtszeit (Jul) durchzieht er das Land als Oski (der Wunscherfüller, heute bekannter als der Weihnachtsmann). Seine Raben versinnbildlichen die Gedanken und die Erinnerung. Seine Wölfe versinnbildlichen den angeborenen Jagdinstinkt ihres Herren. Odins einzige Nahrung ist "Met" sowie täglich einen der goldenen Äpfel der Göttin Iduna. Er besitzt das achtbeinige Pferd Sleipnir (ein Schimmel), das schnellste Pferd der Welt. Er verdankt es Loki, mit dem er Blutsbruder ist.
Sein Thron steht in Walhalla, einem Palast von Asgard. Hier versammelt er die im Kampf gefallenen Krieger, die Einherjar. Sie werden Odin bei Ragnarök unterstützen. Zur Götterdämmerung wird Odin auf seinen Erzfeind, den Fenriswolf treffen und von ihm verschlungen werden. nach Odin (Wotan) wurde auch der Mittwoch benannt, Wotanstag = heute Mittwoch.
Odin wurde hauptsächlich von den Wikingern verehrt.

Der Name Wotan/Woden kommt vom Wort woð, wörtlich "Wut", das aber ursprünglich allgemein einen Zustand geistig-seelischer Erregung, Energiegeladenheit, Begeisterung und Ekstase bezeichnete, im besonderen aber den Zustand höheren Bewußtseins, den der Schamane und Seher (lat. vates) für seine Aufgaben braucht.

Odin ist der Gott der geistigen Kräfte, des Wissens und der Weisheit. Er ist Magier, Seher, Heiler, Dichter und Entdecker der Runen. Er zeigt sich in der Kraft von Wind und Sturm, im Rauschen der Wälder und allem, was geheimnisvoll mächtig ist. Er heißt Allvater (nord. Alföður), weil er der Vater der Götter und unser mythischer Urahn und Stammesgott ist, dessen Wesen wir eng verwandt sind. Er kennt und erfüllt das Schicksal der Menschen. Daher ist er auch der Gott des Todes, der unser aller Schicksal ist, der Führer der Totengeister und der Beherrscher des Krieges.

Durch seine geistige Überlegenheit als Schamane oder Druide ist Odin der höchste Gott und heißt "der Hohe" (Hár) oder einfach "der Ase" (hinn Áss). In seiner Souveränität ist er Geist, Wille und Weihe. Deshalb verehrten ihn unsere Vorfahren auch als Dreiheit – Odin, Vili und Vé. Andere Namen sind Odin, Hönir und Lodur. Die Dreiheit ist eine druidische Vision, die Einheit und Vielfalt einer Gottheit zugleich erhellt. Die Mutter Erde erschien den Druiden ebenfalls als Dreiheit. 

Geburt und mythische Gestalt Odins
Im Mythos sind Odin, Vili und Vé bildhaft Drillinge, die ersten Götter, die als Söhne des Burr, dessen Vater aus dem Ur-Eis wuchs, und der Jötentochter Bestla geboren wurden. Nachdem die Drillinge die Welt geordnet und die Menschen beseelt haben, ist nur noch von Odin allein die Rede.

Odin ist von schöner, eindrucksvoller Gestalt, aber einäugig, weil er ein Auge geopfert hat, um aus der Quelle Mimirs Weisheit trinken zu können. Wenn er durch die Welt wandert, verbirgt er sein leeres Auge unter einem breitkrempigen Hut und ist in einen blauen Mantel geleidet. Er reitet den achtbeinigen Hengst Sleipnir und wird von zwei Wölfen, Geri und Freki, und zwei Raben, Huginn und Muninn, begleitet. Die Raben fliegen täglich durch die Welt und bringen ihm Nachrichten.

Odins Wohnort in Asgard heißt Hliðskjálf (offener Turm) oder Glaðsheimur (Freudenheim). Hliðskjálf wird auch Odins Thron genannt. Von dort blickt er in die ganze Welt. Odin besitzt den Speer Gungnir, der nie sein Ziel verfehlt, und den Ring Draupnir, der sich in jeder neunten Nacht verneunfacht. Sein Gefolge sind 13 Geisterkriegerinnen, die Walküren (Valkyrjar), und die Seelen der gefallenen Krieger, die Einherier, die in Valhall wohnen.

Mit allen diesen Details haben die Dichter Odins Gestalt ausgeschmückt, um den Zuhörern ein Bild seiner Größe und Macht zu vermitteln, wie es der Kultur der Wikingerzeit entsprach. Sie sind aber nicht nur poetische Mittel, sondern auch Symbole: Mantel und Hut sind magische Verhüllungen, die das Geheimnisvolle ausdrücken, der Speer ein magisches Instrument, die Neunzahl der Ringe Odins ein Symbol der Ganzheit, die Tiere alte Totems und schamanische Krafttiere, die Einäugigkeit Odins ein Hinweis auf das "innere Sehen” mit dem "Geistauge” (hugauga), die Walküren Geister des Schicksals, da sie auswählen, wer sterben soll, und Valhall ein Teil von Odins Aspekt als Totengott, der aber oft mißverstanden wird. 

Der falsche Ruf Odins als Gott von Kampf und Krieg
Häufig liest man, die Vikinger hätten Odin als Gott von Kampf und Krieg verehrt. Das ist nicht richtig. Sie verehrten ihn – wie alle anderen Germanen auch – als Gott des Geistes und der Magie, als Schicksals- und Totengott und vor allem als höchsten Gott, der die Entscheidung über Krieg und Frieden trifft, Sieg und Niederlage bestimmt und damit Leben und Tod der Krieger in Händen hält. Es ist nur natürlich, daß die Wikingerkrieger diese Aspekte, die sie persönlich am meisten betrafen, besonders betonten. Doch auch in ihrer Sicht ist Odins Bereich nicht der Krieg als solcher, sondern das Schicksal, das sich im Krieg erfüllt – aber ebenso in anderen schicksalhaften Ereignissen. So ist Odin auch nicht nur der Gott der Gefallenen in Valhall, sondern allgemein der Totenführer, wie es der ältere Mythos der Wilden Jagd ausdrückt, in der alle Totengeister unter Führung Odins durch die Nacht reiten. 

Odins Frauen und Kinder
In der poetischen Mythologie, die die Götter zum besseren Verständnis in den Begriffen der menschlichen Gesellschaft darstellt, haben sie Ehegatten und Kinder wie wir, doch diese Familienverhältnisse sind nur Bilder für Beziehungen, Wesensverwandtschaften und manchmal (wie in der Dreiheit) innere Vielfalten, die nie die ganze Wahrheit ausdrücken können. Man kann sie daher auch nicht mit menschlichen Sitten messen. Das gilt besonders für die Ehen der Götter. Odin ist verheiratet, hat aber – ähnlich wie der griechische Zeus und viele andere Götter – auch Beziehungen und Kinder mit anderen Frauen. Das hat seinen Grund in den verschiedenen Charakteren dieser Kinder, die mythisch als verschiedene Abstammungen dargestellt werden, und im eigenen Sinn jeder dieser Beziehungen. 

Odin und Frigg – Oðr und Freyja
Die mythische Ehefrau Odins ist Frigg, deren altdeutscher Name Frija mit dem nordischen der Vanengöttin Freyja identisch ist. Auch in der Edda wird Frigg mit Freyja identifiziert. Beide Namen bedeuten "Frau" (im selben Sinn wie "Herr") oder "Geliebte" (vgl. "freien") und weisen Frigg und Freyja als verschiedene Personen der in allen heidnischen Religionen verehrten Großen Göttin mit den vielen Namen, der Mutter der Götter und Menschen, aus.

Manche sagen, es gibt nur eine Große Göttin, die sich aber in zahlreichen Gestalten zeigt, weil ihr Wesen so viele verschiedene Aspekte hat. Frigg verkörpert das Wesen der Mutter und Ehefrau, wird als Beschützerin der Frauen und der Ehe verehrt und ist überhaupt eine Göttin der Ordnung, besonders natürlich der Familien- und Sippenordnung, und der Verträge und Eide. Damit ist sie auch die Große Göttin der kosmischen Ordnung, die sich im Sonnenlauf zeigt – Sunna heißt im Merseburger Zauberspruch eine ihrer Schwestern, zusammen mit Volla (Fülle) und Sinthgunt (Nachtwandlerin, d.h. Mond). Sie ist keine Sonnengöttin, aber die Göttin, der die Sonne heilig ist. Frigg und Odin sind die Eltern Baldurs.

Freyja ist die jugendliche Göttin der Liebe, Sexualität und Fruchtbarkeit. Ihr mythischer Gatte Oðr ("Geist") ist, wenn sie mit Frigg identisch ist, Odin in seiner Jugendgestalt: der noch reifende, suchende Geist, von dem daher auch erzählt wird, daß er fortging und von Freyja überall gesucht wurde. Aus den Tränen, die sie um ihn weinte, ist der Bernstein entstanden. Als Liebesgöttin im unmittelbaren, rein erotischen Sinn kümmert sich Freyja nicht um soziale Beziehungen und Ehebande. Sie ist auch eine Göttin der Weisen Frauen und hat die Asen (d.h. Odin) die magischen Künste der Vanen gelehrt. 

Odin der Allvater
Der traditionelle Titel "Allvater" (nordisch Alföður) bedeute nicht nur, daß Odin der Vater der Götter ist – er ist vielmehr wie der griechische Zeus der "Vater der Götter und Menschen". Denn die heidnischen Naturreligionen wissen, daß wir, weil wir aus der heiligen und göttlichen Natur stammen, einen angeborenen Anteil am Göttlichen haben. Wir sind keine bloßen Geschöpfe, sondern Angehörige der Götter - von Geburt an und unabhängig davon, ob wir "gut" sind. Das gilt natürlich nicht nur für einige Privilegierte: eine "Herrenrasse" oder ein "auserwähltes Volk" gibt es nicht – alle Menschen stammen von ihren Göttern ab. Odin, der höchste, ist daher unser Allvater, in dem wir unseren Ursprung im Göttlichen verehren. Im gleichen Sinn nannten die Kelten den höchsten Gott Teutates, d.h. Stammesvater.

Unsere Vorfahren waren überzeugt davon, daß wir von Odin abstammen und daher seine Wesensart teilen, zumindest was den Kern, die Tiefe unseres Selbst betrifft. Wir mögen nicht viel mit Magie am Hut haben oder auch anderen Zügen Odins eher fernstehen. Vielleicht sind uns andere Götter, z.B. Thor oder Freyja, viel sympathischer. Daran ist nichts auszusetzen. Wir sind Angehörige aller Götter. Das gemeinsame Erbe Odins ist aber unser gemeinsamer Auftrag: nicht aufzuhören, nach Erkenntnis, Tiefe und Entfaltung unseres wahren Selbst zu streben. Dabei ist es wichtig, an Odins Selbstopfer zu denken. Er ist der Gott, der nicht bleibt, was er ist, der sich von Stufe zu Stufe wandelt, reift und überwindet. Er warnt uns vor falschen Gewißheiten und fordert uns heraus, jede "feste Burg" starren Glaubens zu zerstören.