Gedicht aus der Novelle 'Der Vampir'

(A. K. Tolstoi)

Der Uhu packte die Fledermaus,
Zerfleischt ihren Leib mit den Krallen.
Der Ritter Ambrosius reitet zu Gast'
Zum Nachbarn mit seinen Vasallen.
Zwar fest ist das Burgtor, viel Riegel davor,
Doch den Gästen öffnet die Wirtin das Tor.

"Nun, Martha, zeig' uns: wo schläft dein Mann?
Du erbleichst? Du zitterst vor Schrecken?
Am Schlosse strömt gurgelnd die Donau vorbei,
die Nacht wird die Bluttat bedecken.
Sei getrost! Aus dem Grab steht der Tote nicht auf.
Was geschehn muß, geschehe - führ uns hinauf."
 
Am Schlosse strömt gurgelnd die Donau vorbei,
Das Wasser glänzt über den Steinen.
Die Tat ist vollbracht, der Alte ist tot,
Ambrosius zecht mit den Seinen.
Mit ihm sitzt die sündige Gräfin beim Mahl.
Auf blutiger Flut spielt des Mondes Strahl.
 
Am Schlosse strömt gurgelnd die Donau vorbei.
Die Flammen zucken und beben.
Ambrosius ruft: "Ans Werk! Schlagt zu!
Und laßt mir keinen am Leben!
Seid fröhlich, Frau Gräfin, was fällt Euch denn ein?
Ließt selbst ja die lustigen Gäste herein!"
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Die gurgelnde Donau spiegelt das Schloß,
Schon halb von den Flammen verschlungen,
Ambrosius spricht zu der plündernden Schar:
"Wir müssen nach Haus, meine Jungen!
Seid fröhlich, Frau Gräfin, was fällt Euch denn ein?
Ließt selbst ja die lustigen Gäste herein."

Es dröhnt über Marthas Haupte der Fluch
Des Gatten. Er rief es im Sterben:
"Verflucht seist du und dein ganzes Geschlecht!
Mein Fluch soll sich weiter vererben!
Eure Liebe werde zu Grauen und Wut!
Die Großmutter sauge der Enkelin Blut!

Verflucht seist du und dein ganzes Geschlecht!
Nicht werd' es befreit aus den Banden,
Als bis sich das Bild dem Gatten vermählt,
die Braut aus dem Grab auferstanden,
Und das letzte Opfer sündiger Glut
Mit zerschmettertem Schädel daliegt im Blut!"

Der Uhu erfaßte die Fledermaus,
Zerfleischt ihr den Leib mit den Krallen.
Von rauchenden Trümmern reitet hinweg
Ambrosius mit seinen Vasallen.
"Seid fröhlich, Frau Gräfin, was fällt Euch denn ein?
Ließt selbst ja die lustigen Gäste herein."