Nightmare

(06/2000 Copyright by JoE)

Halb besinnungslos taumelte ich durch die dunklen Straßen. Die Gaslaternen verbreiteten ein breiiges, diffuses Licht in diesem Nebel. Ohne zu wissen was ich tat, wie betrunken ohne Sinn und Verstand.

Was war mir geschehen? Eine Droschke! Schwer atmend sank ich in die Polster. "Ins Maxim!"

Während ich mich zu sammeln versuchte, zogen die letzten Monate an mir vorbei. Durch eine Erbschaft wohlhabend geworden, zog es mich von zu Hause fort. Durch wissenschaftliche Studien hatte ich mir die Zeit vertrieben und war auf alte Sagen und Geschichten gestoßen. Vampire ! Welche Magie lag in diesem Wort, welcher Zauber von ihm ausging war unbeschreiblich. Ich konnte an nichts anderes mehr denken. Wie es wohl war ein Vampir zu sein? Welche Macht mußte ein solches Wesen haben, welche Möglichkeiten mußten sich auftun und auch welche Tragik mußte in solch einem Schicksal liegen? Um mich ganz einzustimmen auf diese Thema, (allein ich glaubte nicht im Traum daran, daß es solche Wesen gab) schlief ich nur noch am Tage. Nachts trieb ich mich umher, wandelte durch die Straßen, über die Plätze und besuchte alle Orte des Lasters und des nächtlichen Vergnügens. Der Lebenswandel machte meine Sinne fiebrig, meine Nerven waren überreizt, jedoch genoß ich dieses Gefühl.

Angst vor Überfällen hatte ich nicht, war ich doch wohlbewaffnet, mit Pistole und Degen, hatte ich nicht in Preußen schießen und in Paris fechten gelernt. Was sollte mir schon geschehen. Zweimal hatten Straßenräuber versucht sich meiner zu bemächtigen. Es war ihnen übel bekommen.

Bis auf heute Nacht. Nach einigen anregenden Stunden mit einer meiner Gespielinnen, war ich auf die Straße getreten um noch ein wenig durch das nächtliche Wien zu wandeln.

Da wurde ich überfallen, eine Gestalt packte mich mit eisernem Griff. Mit einem Ruck konnte ich mich befreien. Ich riß die doppelläufige Pistole heraus und feuerte. Die Pistole zur Seite schleudern und den Degen ziehen war eine Bewegung. Allein die Gestalt lachte! Ich konnte ihn unmöglich verfehlt haben. Ein Griff und mir wurde der Degen aus der Hand gerissen. Er packte mich erneut und die Gestalt zog mich an sich. Im Schein der Gaslaternen konnte ich sein Gesicht sehen und lachte erleichtert auf, als ich seine spitzen Fangzähne sah. Ein Scherz! Ein verdammter Scherz hatten sich meine Freunde mit mir erlaubt. Hatten sie doch schon seit Tagen über meinen Vampirwahn gelacht. Das Lachen verging mir schlagartig, als ich die Zähne an meinem Hals spürte. Die Gestalt biß zu, ein leichter Schmerz und ich spürte ein saugendes Gefühl. "Es gibt sie...." konnte ich noch denken bevor die Welt in einem Strudel aus Gefühlen und Ekstase um mich herum versank.

Stunden später kam ich zu mir. Ich lag in der Gosse, benommen und geschwächt.

Endlich! Das Hotel, meine Suite hoch über den Dächern der Stadt, Ruhe und Geborgenheit. Hunger überkam mich und Durst. Ich läutete nach dem Etagenkellner. Es klopfte an der Tür und ER stand vor mir. Ich prallte zurück. Unfähig einen klaren Gedanken zu denken.

"Du hast uns gesucht, nun Du hast uns gefunden! Wir wollen das zu Ende bringen, was wir auf der Straße angefangen haben, mein Freund." Ein wahrhaft diabolisches Lächeln erschien auf seinem Gesicht.

"Was wollen Sie von mir?" die Panik ließ meine Stimme zittern.

"Sie wollen es doch! Sie wollen einer der unsrigen werden, die ganze Zeit schon. Sie leben doch schon wie wir, Nachts! Streifen durch die Straßen ruhelos. Wie im Fieber. Kommen Sie, werden Sie wie wir. Es ist nur noch ein kleiner Schritt."

Ich hatte Angst, waren meine Träume Wahrheit geworden? Träumte ich im Fieberwahn? Bevor ich die Überlegungen abschließen konnte wurde ich erneut von ihm umschlungen. Seine Zähne gruben sich in meinen Hals und da war sie wieder, diese Wollust, diese unbeschreibliche Wollust wie ich sie noch nie erlebt hatte. Langsam versank die Welt in absoluter Dunkelheit, in eine samtene Schwärze. Ich starb, ich spürte wie ich aus dieser Welt glitt. Eine warme, süße Flüssigkeit rann in meinen Mund. Ich schluckte, saugte und trank mehr. Die Welt explodierte in rasendem Schmerz, eine Woge der Pein durchtoste meinen Körper. Ich spürte wie der Tod von einer unbekannten Macht verdrängt und durch pures Leben ersetzt wurde. Es klopfte erneut an der Tür, mein Erzeuger öffnete und das Zimmermädchen stand in der Tür. "Ich bringe das bestellte Essen für den gnädigen Herren". "Fürwahr, mein Kind fürwahr" Der Vampir griff das Mädchen, schlug die Tür zu und reichte mir den vor Angst erstarrten Körper. Mit dem Fingernagel öffnete mein Mentor ihren Puls und warmes Leben rann über meine Lippen. Mit vollen Zügen trank ich, und die Empfindungen die mich nun überwältigten waren nicht zu beschreiben, nie dagewesen. Sie prägten mein Ich vollständig. Ich wurde schlagartig zum Raubtier, ich wußte, daß ich mit Leichtigkeit und ohne Skrupel töten würde für dieses Gefühl. Mein Mentor entzog mir das Mädchen. Wütend und voller Gier fauchte ich ihn an.

"Halt mein Sohn, sie darf nicht sterben! Ich werde Ihr die Erinnerung an das nehmen was hier geschehen ist. Sie wird sich schwach fühlen, aber leben. Es ist wichtig für unsere Tarnung. Mit der Zeit wirst Du es lernen."

Ich kam zu mir. Eigentlich sollte ich Entsetzen fühlen über das was ich getan hatten, aber ich fühlte nur Befriedigung und Lust, so als ob eine dunkle Tür in meiner Seele weit geöffnet wurde.

"Komm mein Freund, ordne Deine Kleidung und dann wollen wir einen Spaziergang durch diese wunderschöne nächtliche Stadt machen. Und ein wenig jagen!.........."

© Juni 2000 JoE