Ein Märchen?

(Copyright 2000 by Destiny) 


Wenn du in den nächtlichen Himmel blickst, was siehst du dann? Den Mond? Verschiedene Sternbilder? Ja. Siehst du auch den Polarstern? Ja? Gut. Dann fällt dir bestimmt auch auf, daß links neben ihm ein freier Platz ist. Aber das war nicht immer so...

Einst lebte dort ein kleiner, einsamer Stern. Und von diesem Stern möchte ich dir erzählen.

Wie schon gesagt, war der Stern nicht sonderlich groß, sein Strahlen nicht besonders intensiv, aber sehr hell. Es machte ihm Spass, seinen Teil dazu beitragen zu können, den nächtlichen Himmel zu erleuchten. Fröhlich funkelte und strahlte er Nacht für Nacht.

Doch niemand beachtete ihn. Jeder sah nur seinen großen und hellen Nachbarn. Keiner freute sich an seinem Glanz. Und so wurde der kleine Stern immer trauriger und schwermütiger. Er strahlte immer noch, doch vergaß er über seine Trauer das Funkeln.

Aber, wie es sich für ein richtiges Märchen gehört, es gab doch einen, der den kleinen Stern kannte. Das war ein alter Wolf, ein Einzelgänger. Alte Wölfe haben oft das Problem nachts nicht schlafen zu können. Dann suchen sie sich einen erhöhten Platz, von dem aus sie den Himmel gut überblicken können und singen der Mondgöttin ihr Lied. In diesem Lied erzählen sie ihr Leben und irgendwann beginnen sie die Göttin zu bitten, zu ihr zu dürfen... vielleicht als Stern wiedergeboren zu werden, um ihren Nachfahren den Weg durch die Nacht weisen zu können.

Eines Nachts nun fiel dem alten Wolf auf, daß der kleine Stern nicht mehr funkelte.

Er legte sich auf einen warmen Felsen, bettete seinen Kopf auf die Pfoten, schaute zu dem kleinen Stern hinauf und begann sich Gedanken über das fehlende Funkeln zu machen.

Der kleine Stern spürte natürlich, daß jemand an ihn dachte, schaute sich um und fand den alten Wolf.

Sie unterhielten sich über ihre Schicksale, Nacht für Nacht. Mit der Zeit wurde aus ihrer Freundschaft eine tiefe, alles umfassende Liebe.

"Ich möchte bei dir sein, kleiner Stern. Ich möchte, daß du dein Haupt in meinem Fell vergräbst und friedlich den Tag verschläfst. Ich will dich bewachen und beschützen können."

Diese Worte erfüllten den kleinen Stern mit solcher Sehnsucht und Trauer, daß er zu weinen begann.

Nun mußt du wissen, daß diese Tränen als Sternenstaub zur Erde fallen und wenn sie auf ein liebendes Herz treffen, so entfalten sie all ihre Kraft und erfüllen diesem Herz seinen sehnlichsten Wunsch.

Wie sollte es anders sein? Der Sternenstaub fand zu dem Herzen des alten Wolfes. Seine Seele erstrahlte in hellem funkelnden Glanz und stieg auf zum Himmel, suchte seinen kleinen Stern.

Doch der Weg war weit. Viele, viele Nächte dauerte es, bis sie an die Stelle kam, wo der kleine Stern geleuchtet hatte. Doch der kleine Stern war fort.

Was war geschehen? Wo war der kleine Stern?

Nun, als die Seele des Wolfes aufstieg, verlor der kleine Stern sie aus den Augen. Er wartete und suchte die ganze restliche Nacht, aber er konnte keine Spur von ihm finden. Und in der nächsten Nacht hörte er, wie die Kinder des Wolfes um ihren Ahnen weinten. Denn sie hatten den leblosen Körper auf dem Felsen entdeckt.

Der kleine Stern glaubte nun seinen Freund für immer verloren zu haben. Tiefe Verzweiflung erfüllte ihn und in seiner Trauer stürzte er sich vom Himmel. Ohne seinen Freund den Wolf wollte er einfach nicht mehr weiterstrahlen. Es würde ja doch kein anderer ihn beachten.

Hast du die Sternschnuppe letzte Nacht gesehen? Vielleicht war das ja unser kleine Stern...

Und der Wolf? Er sucht immer noch nach seinem kleinen Stern. Manchmal, in einer klaren Winternacht kann man sehen, wie seine Seele den Himmel durchforstet. Ihr nennt das dann Polarlicht, aber es ist die Seele des alten Wolfes.

Manchmal, in einer ruhigen Winternacht, kann ein liebendes Herz sein Lied hören. Er singt der Mondgöttin seinen Verlust, seine Verzweiflung und seine Liebe.

Er gibt nicht auf, auch wenn er weiß, daß seine Suche vergebens bleiben wird.

Destiny