Odem

(Copyright 2001 by Odem)

„Der Vorsatz ist der Erinnerung Knecht.“ Flüsternd lief ich auf mein Cabriolet zu. Die Sonne hatte das Meer geküsst und verabschiedete sich allmählich hinter dichten Wolken. „Stark von Geburt doch durch die Zeit geschwächt...“

Ich liebte es nach einem anstrengenden Tag in der Firma, bekannte Verse zu rezitieren. Es war gerade kurz nach Mitternacht. Meine Liebste halbe Stunde fing gerade an. „Huhu, Geisterstunde.“ Kicherte ich vor mich hin. Ich arbeitete in letzter Zeit einfach zu viel. Das schlug sich dann oftmals in solchen Bemerkungen nieder. Aber wenn ich mal Zeit fand, - was gewiss nicht oft war - verschwendete ich sie mit melancholischen Liebesgedichten oder schmalziger Literatur jeder Art. Manchmal auch mit netten Ritualen oder mit skurrilen Voodoopraktiken. Wie ich dieses Leben oftmals hasste. Aber das war nicht von Bedeutung. Ein gutes Image und Geld waren das einzigste was wirklich wichtig für mich war.

Was sollte ich denn sonst tun?

Meinen Abend vor dem Fernseher verbringen, Chips futtern und vor mich hin vegetieren? Nein, nein. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Ich hatte mein Auto erreicht und ließ mich auf den Sitz fallen. Wie ich diesen Flitzer liebte. Als ich den Motor anließ und aufs Gaspedal trat schnurrte mein Kätzchen in gewohnter Manier.

Ich trat meinen täglichen Heimweg an und raste der Golden Gate Bridge entgegen.

Vorbei an den Menschenmassen, den Viktorianischen Häusern, und den Wolkenkratzern. Der Wind wehte mir meine langen schwarzen Haare ins Gesicht und ich schrie meine Lieblingsverse in den Wind.

„Wie herbe Früchte fest am Baume hangen,...“ ich holte Luft und trat gehörig aufs Gas.

„Doch leicht sich lösen, wenn sie reif´ erlangen, notwendig ist´ s das jeder leicht vergisst zu zahlen was er selbst sich schuldig ist!“ 

Ich drosselte die Geschwindigkeit. Stau. „Immer das selbe!“ Nie kam ich pünktlich nach Hause! Aber das war schon irgendwie in Ordnung mich erwartete nie jemand zu Hause. Außer mein Kätzchen. Egal.

Ich kam direkt hinter einer langen schwarzen Limousine zum stehen. Alltägliche Bilder die sich hier in San Francisco boten. Limousinen wo man nur geht und steht. Ich dachte mir nichts dabei, sie sah aus wie jede andere auch. Obwohl ich ständig das Gefühl hatte, aus diesem Luxusschiff beobachtet zu werden, lehnte ich meinen Kopf auf die Stütze und driftete mit meinen Gedanken ab.

Es war eine warme Sommernacht, der Himmel war klar. Ich begann zu flüstern: „Was wir ersinnen, ist des Zufalls Spiel...“ ich atmete tief durch. „Nur der Gedanke ist unser, nicht das Ziel.“

Träumend dachte ich an meine Wohnung.

Ja, ja mein zu Hause war eine Penthousewohnung im 19 Stock eines Wolkenkratzers. Ganz schön lange Fahrt mit dem Aufzug, das muss ich schon sagen...

Ich lauschte der Limousine wie sie sich voranschob. Ah, es ging voran mit dem Verkehr. Ich bemerkte zu spät das es nur ein paar Meter voranging und fuhr mit einem krachenden Geräusch auf die Limousine auf. Shit! Ich schlug mit dem Kopf auf, und kurz bevor ich bewusstlos wurde dachte mir noch: ´Hoffentlich ist nichts passiert´...

Tja, der Rest entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich erinnere mich noch vaage an ein paar Dinge.

Ich lag in einem breiten Ledersessel der nach Mottenkugeln roch.

Ich lauschte dem Geklirr einiger Tassen und Teller die auf dem Boden landeten. Jemand fluchte. Es war ein Mann der dort fluchte. Verdammt! Wo war ich überhaupt?

Das atmen viel mir schwer und das öffnen meiner Augen auch. Mein Kopf dröhnte. Trotz meines verschwommenen Blicks konnte ich erkennen das es kurz nach drei Uhr Nachts war, sonst nichts. Ich war praktisch für eine zeitlang blind. Ich hielt meine Augen geschlossen. Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Ächzend wollte ich aufstehen. Eilige Schritte näherten sich und weiche Hände drückten mich wieder in den Sessel zurück. „Still, du brauchst jetzt Ruhe!“ Ich gehorchte der leisen Stimme und den warmen Händen die mir durchs Haar fuhren.

Ich zog es vor still zu sein, man wusste ja nie. Aber einige Fragen wollte ich doch loswerden. „Welche denn?“ flüsterte er. Ich schrak zurück. Hatte ich mich laut geäußert? Eindeutig nicht. „Was ist passiert und wer sind sie?“ meine Stimme brach. Er kicherte. Machte er sich über mich lustig?

„Aber gewiss nicht, Liebes. Du hattest einen Unfall und ich hab dich nach Hause gebracht.“ Nach Hause? Das war nicht mein zu Hause!

Er fuhr fort: „Keine Angst du wirst dich hier wohl fühlen. Diese Nacht wird die wichtigste in deinem Leben werden, Odem.“ Er wusste meinen Namen!

Voller Entrüstung antwortete er: „Natürlich weiß ich deinen Namen. Ich wusste ihn schon von Anfang an. Ich suche dich schon sehr lange, Liebes.“ 

Ich atmete tief durch. Ich dachte ich wäre einem Psychopaten zum Opfer gefallen. Ich spürte wie er mir näher kam. Ich dachte jetzt ist es aus! Aber so war es gar nicht, ich wundere mich heute immer noch darüber das ich mich nicht wehren konnte als er so nah kam. Bevor ich überhaupt registrieren konnte was geschah, stellte ich fest das ich gebissen wurde!

Ich wurde gebissen! Mir schossen Bilder von den abscheulichsten Wesen durch den Kopf, noch abscheulichere Horrorfilme, vergangene Ereignisse, bekannte Verse und vieles mehr. Ich fühlte mich wie in einem Drogenrausch und sah Lichter, Sterne, und hörte Sinfonien.

Meine Schmerzen verschwanden, ich fühlte mich sicher, geboren und geheilt. Ich spürte wie er von mir abließ und öffnete die Augen. Jetzt sah ich ihn zum ersten mal vor mir.

Er atmete schwer: „Jetzt bist du perfekt. Jetzt bist du meine Gefährtin. Jetzt bist du ein Vampir!“

Er hatte recht. Diese Nacht werde ich nie wieder vergessen. 

By Odem