Erwartete Begegnung

Sie machte Besorgungen. Im Supermarkt; wie jeden anderen Donnerstag der letzten drei Wochen seit er angefangen hatte sie zu beobachten. Er verabscheute diese, ihre Pünktlichkeit und diesen beständigen Ablauf. Auch hasste er, dass sie im Supermarkt einkaufte, um dort die Waren dort ihr Fleisch und ihren Geschmack mit all diesen chemischen Zusätzen zu verfälschen.

Zugegeben, erwusste kaum noch wie seine Leibspeise mundete, denn es war schon zu lange her, dass er sich einen Menschen gepflückt hatte.

Neue Packung Anti-Baby-Pillen, einen Kopf Salat, drei Kerzen, Tiefkühlspinat, zwei Artischocken und einwenig Gehacktes. Sie ging in Gedanken noch mal alles durch und grinste über ihren Einkaufszettel. Dieses Grinsen schlug plötzlich in Unwohlsein um. „Beobachtet. Beobachtet und ausspioniert. Genau das wirst du grad“, dachte sie. Mit dieser Erkenntnis weiterzugehen fiel ihr schwer. Ein Fuß vor den anderen setzen. Immer wieder; im gleichen Takt. Nein. Sie wollte herumwirbeln und ihrem Verfolger in die Augen sehen. Schon spürte sie seine kalte, schwere Hand, welche kaum Mühe haben würde sie um ihre eigene Achse zu drehen. Und was sie dann sehen würde, träumte sie. Er wäre ihr Vampyr, der sie endlich gefunden hatte. Einer von jenen coolen Typen mit Manieren und einem angenehmen Sprung Wildheit. Sie würde sein Gesicht fassen und sich ihm vor den Augen aller seinem Biss ergeben. Dann würde sie zu sich sagen: Heute habe ich meinen Hals nicht für umsonst gewaschen. An das, was nach dem Biss käme und sein würde, dachte sie nie; vielleicht verdrängte sie es auch nur. Mit einem kräftigen Rempler, ausgeteilt von einem junglichen Punk, der ihr noch etwas unverständliche nachzischte, wurde sie zurück in ihre Welt geworfen. Im Traum war sie wohl zu weit gelaufen, denn sie stand am Ausgang zum Parkplatz und konnte noch einen raschen Blick auf die nächtliche Umgebung werfen, bevor ihr Pflichtbewusstsein sie umkehren und zum Supermarktportal eilen ließ. Mit leeren Blick griff sie die Waren und verstaute sie achtlos in ihrem Warenkorb. Mit diesem fuhr sie noch einen alten Mann an, der sie wollüstig mit seinen Blick auszog. Ihr Lächeln wurde fies, als dieser geile Sack mit einem verschlucktem Fluch zusammenbrach und sich eine Genitalien hielt. Ihre Stimmung stieg langsam.

Er musste innerlich zusammenzucken, als er diese Szene beobachtete und sich an diesen männlichen Schmerz aus langer Vorzeit erinnerte. Kurz darauf kicherte er aber über diesen Menschenschmerz und sie war in seiner Gunst wieder einwenig gestiegen; nicht dass dies schwer war; er selbst fand sich in Bezug auf Frauen eher anspruchslos. Er machte sich fertig zu gehen, denn bald würde sie zahlen und ihr Automobil über die Strasse jagen. Ja, mit dieser Technik konnte er leider nicht mithalten.

Mit gezückten Portmonee stand sie in der Menschenschlange an der Kasse. Vor ihr eine alte Frau, die ihren gesamten Warenkorb mit Katzenfutter zugebaut hatte. Es musste eines von diesen kleinen Biester sein, die den ganzen Tag im Haus herumstolzieren, um sich dann herablassend von Frauchen kraulen zu lassen. Ihre Schwester hatte solch ein Tier und sie hasste es. Sie hasste diese kühlen, arroganten, blauen Augen dieser Katze und ihr selbstgefälliges Schnurren. Am liebsten würde sie diese Katze erschlagen und das Katzenblut ihrem Vampyr darbieten... Sie bekam einen Gehstock ins Kreuz; sie war an der Reihe und dieser Käfermensch hinter ihr hatte sie auf diesen Umstand hingewiesen. Der Menschenfluss versiegte nicht und sie hatte jetzt nicht die Kraft der Stein im Kanalrohr der Zivilisation zu sein. Gespieltes Lächeln als sich die picklige Aushilfskassieren zum dritten mal vertippte. Wortlos zahlte sie. Mit hastigen Griffen sammelte sie ihre Waren und ging Richtung Parkplatz. Nichts wünschte sie sich jetzt mehr als einen Schuss „Chinese Rock“; woher dieses seltsame Bedürfnis kam, konnte sie nicht erklären. Zu schnell fuhr sie nach Hause und dachte nur noch an ihr Abendessen, sowie ein einsames Bad und danach ihr jungfräuliches Bett.

Erst letzte Woche hatte er herausgefunden, wo sie wohnte. Es war ein zu kleines Appartement am Stadtrand. Und das einzige was den Mietpreis stiegen ließ, war die unmittelbare Nähe zu einem Wäldchen. Dort versteckte er sich und wartete; kopfüber.

Sie kramte in ihrer Lederjacke und in den Taschen ihres Rock nach dem Türschlüssel.

Er ging die Strasse entlang und zielstrebig auf sie zu.

Sie fand ihren Schlüssel, und er lag schwer und kalt in ihrer Hand. Gerade als sie aufschließen wollte, traf sie es wie ein Schlag: das Gefühl, dass er hier ist. Dass er hier ganz nah ist. Diese Erkenntnis brachte sie aus ihrer geplanten Routine und völlig unnütz ließ sie ihre Warentüte fallen. Es klirrte kurz laut auf in der verlassenen Strasse... Stille. Er ist doch nicht hier. Warum auch? Monoton griff sie nach ihren Waren. Vor ihrem inneren Auge sah sie noch immer sein Gesicht; eingebrannt auf ihre Netzhaut. Ihre Hand fand auf dem Boden etwas kaltes, ledriges. Blitzschnell ging sie nochmals ihre Einkaufsliste durch. Nein, etwas kaltes und dazu noch etwas ledriges hatte sie nicht gekauft. Ihre Sinne kehrten zurück und ihre Wahrnehmung schärfte sich. Sie starrte auf eine Menschenhand, die sie mit ihrer eigenen umklammerte während diese Hand ihrerseits den Kopf Kohl umfasste. Diese fremde Hand war grau-blau und sie ragte aus einem schwarzen Ärmel hervor.

Sie beugte sich unter ihm nach ihren Waren. Er wollte ihr beim Aufsammeln behilflich sein, bekam aber seinen Blick nicht von ihrem Hals.

Sie wirbelte herum und richtet sich auf. Da war er. Endlich. Und sie konnte ihn nur ansehen. Sie war unfähig sein Äußeres in Worte zu fassen. Ihr starrender Blick ertrank in seinen Zügen, während sie geistesabwesend nach dem Kopf Kohl in seiner Hand griff und diesen in ihre Warentasche stopfte.

Er sah sie an. Aus seinem Blick sprachen Äonen zu ihr. Aber für ihn zählte nur das Hier. Denn jetzt hatte er Hunger, dieses immer fort brennende Messer in seinem Körper quälte und trieb ihn an. Er griff nach ihrem Nacken. Hielt ihn fest und setzte mit dem Daumen an einem Punkt an, wo ihre beiden Kiefer aufeinander trafen. Mit seinem Fingernagel drückte er dort kurz und bestimmt zu. Unter diesem Schmerz schluchzte sie kurz auf und öffnete leicht ihrem Mund, um diesen Schmerz zu lindern. Er kam ihr näher und sein toter Körper atmete ihre Wärme.

Sie wand sie langsam unter diesem, seinen Griff. Aber seine Hand ließ nicht von ihrem Nacken. Ihr Mund trocknete an. Sie konnte nicht sagen, wie lang sie so im Hauseingang standen. Irgendwann kam er dann näher und seine Zunge strandete in ihrem Mund. Sie riss die Augen weit auf. Entsetzen stieg in ihr auf. Sie konnte nicht schlucken und ihr Körper wollte dieses kalte, fremde Stück Fleisch erbrechen. Heftig atmete sie durch die Nase. Völlig unfähig klar zu reagieren, ließ sie seine Zunge dort wo sie war. Er kitzelte ihren Gaumen, ging zielstrebig all ihre Zähne ab und streichelte dann ihre Wangeninnenseite.

Ihm schmeckte sie jung; diese chemischen Supermarktmittel verfälschten anscheinend nichts. Er sah in ihre offenen Augen. Sie blinzelte ihn nur an. Immer nur kurz, als würde sie etwas verpassen, wenn ihr Blinzeln zu lange dauern könnte. Mit seiner rechten Hand suchte er ihren linken Schenkel. Dieser zuckte vor seiner kalten Berührung zurück. Spott umspielte seine Mundwinkel und er ließ seine Hand nur noch bestimmter zufassen. Langsam glitt er an ihrem Bein hinauf und nahm dabei ihren Rock mit.

Diese Frage in ihrem Kopf: „Was mögen sie Nachbarn nur denken?“ Seine Hand zwischen ihren Beinen beantwortete die Frage nicht ganz, brachte sie aber von der Überlegung um die Meinung ihrer Nachbarn zu diesem nächtlichen Treiben ab.

Er bediente sich ihrer schnell in diesem Hauseingang. Dann trat er zurück, drehte sich von ihr um und schaute in die Nacht hinaus. An den Straßenlaternen vorbei Richtung nirgendwo.

Sie sank zu Boden. Immer noch ungläubig über das Geschehene. Mit an den Körper gezogenen Knien kauerte sie sich in eine Ecke. Ihr Blick rief ihn an, er solle sich zu ihr drehen und mit ihr reden. Einfach nur reden und seine Stimme hören lassen. Oder lieber gleich zu beißen. So hatte sie sich das nicht vorgestellt. Er stand mit dem Rücken zu ihr und dies tat ihr weh. Sie fing an zu schluchzen.

Dieses Schluchzen regte ihn auf. „Immer wieder diese weinerlichen Menschenfrauen. Erfüllt man ihre Wünsche haben sie doch immer was zu bemängeln.“ Zwar hatte er diese Nacht nichts mehr vor, aber er wollte dies hier nicht länger hinaus zögern. Er drehte sich langsam zu ihr um und prüfte dabei mit der Zunge nochmals seine Eckzähne.

Sie schaute auf und er drehte sich zu ihr um. Vorfreude. Aber als sie sein Gesicht sah, wich sie noch weiter in ihre Ecke zurück. Sein Gesichte hatte sich verändert. Er lachte sie höhnisch an und sprach in herablassenden Tonfall zu ihr, was sie doch für ein feiges Wesen sie, aufgezehrt von ihren unerfüllten Träumen und kleinen Hoffnungen. Mit langsamen Schritten kam er auf sie zu. Sie schrie auf. Und er kicherte nur. Sie strampelte und wehrte sich aus ihrer Ecke heraus und er hatte Spaß daran ihren Windungen und Abwehrversuchen auszuweichen. Nicht dass es ihr viel nutzte. Plötzlich hörte sie damit auf und erkannte, dass sie ihm völlig ausgeliefert war. Sie stand trotzig auf, wischte ihren Tränen weg und zog ihren Kopf nach oben, sah in die sternenlose Nacht, regte ihm auffordernd ihren Hals entgegen.

Er blieb kurz stehen, als er die Veränderung in ihren Verhalten und ihre Einsicht in seine Macht erkannte. Er lächelte und bestätigte ihr, dass ihm so etwas nicht allzu häufig passiert. Trotzdem konnte und wollte er jetzt nicht mehr zurück. Ihre Körper berührten sich. Im Laternenlicht schien es, dass sie mit einander verschwommen. Seine beide Hände hielten ihren Kopf. An diesem rissen er kräftig, bis er ihren Hals betrachten konnte. Er legte den Kopf schief und beschaute kurz das noch lebende Fleisch.

Sie stand nur zitternd da und wartete bis alles vorbei wäre. In ihren Gedanken war alles immer so anders, so viel schöner gewesen. Sie schluchzte nochmals kurz auf, als er ihren Hals in Position brachte. Jeden Moment erwartete sie den Biss. Doch er ließ sich Zeit. Sie konnte spüren, wie er mit seinem Gesicht immer näher an ihren Hals kam, wie ein Tier an ihr schnüffelte und mit seiner Zunge, dieser kalten, langsam über ihren Hals strich.

Er biss zu. Ihr Körper bäumte sich schwach unter ihm auf, doch er hielt sie fest. Hielt sie gegen die Wand gedrückt und bestrafte jeden Widerwillen ihrerseits mit Verstärkung seiner Umklammerung um ihren Kopf. Er trank langsam und genoss es. Es tat so gut und es schmeckte ihm um soviel besser als das unwürdige Katzen-, Hunde- und sonstige Tierblut, was er ansonsten trank. Er kam wieder auf den Geschmack und saugte heftiger. Zu heftig, denn der Blutstrom versiegte. Er hatte einen Venenverschluss erreicht. Sein Kopf bewegte sich langsam zurück und seine Hände drehten ihren Kopf auf die andere Seite. Dabei konnte er ihr kurz ins Gesicht schauen. Konnte sehen, wie das Leben ihr entschwand. Als Untote würde sie nicht mal schlecht aussehen; beinahe hätte er sie zu einer seiner Art gemacht. Aber er konnte ihr das nicht antun... Er trank aus ihrer anderen Halsseite und ließ sie am Ende leer zu Boden sinken. Er leckte kurz seine Lippen und zog dann ein Messer. Diesen Teil verabscheute er, aber lieber so als anders. Mit geübten Schnitt durchtrennte er ihre Kehle.

Am nächsten Morgen fand man sie Leiche der jungen Frau. Raubmord, hieß es später in den Nachrichten. Er lachte...

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