Marmorengel

(2004Copyright by Tessy)

Er schlug die Augen auf und erhob sich, schaute sich flüchtig um. Alles sah
wie immer aus, die verstaubten Kerzen und die Särge standen wie immer an der
Wand aufgereiht. Er lächelte, es war ein kaltes liebloses Lächeln. Ja, diese
Gruft war sein Zuhause, er lebte, nein leben würde hier wohl nicht passen,
verbrachte, ja er verbrachte hier die Unendlichkeit. Wenn die Sonne ihre
Strahlen am Horizont zeigte und langsam über den Himmel wanderte war er
hier, hier in dieser staubigen, modrigen Gruft. Erst wenn die Nacht sich auf
die Sonne stürzte und sie verschluckte, verlies er diesen Ort, um seinen
unendlichen Durst zu stillen. Er stieg aus seinen Sarg heraus und setzte
einen Fuß nach den anderen auf den mit Staub bedeckten Boden, doch der Staub
wirbelte nicht hoch als seine Füße den Boden berührten und Richtung Tür
schritt. Er ging jede nacht hinaus und nie verriet ihn irgendeine Spur die
er hinterlassen hätte. Er trat in die nacht hinaus, wie er jedes mal diesen
Anblick genoss. Er wusste das ein leichter Wind wehte als er sah das sich
die Schatten der Büsche und Bäume leicht bewegten, doch er spürte ihn nicht.
Er wusste nicht wann er ihn das letzte mal gespürt hatte, so wie die Kälte
die Nachts herrschte, wann er den Duft der Blumen das letzte mal gerochen
hatte. Das wusste er schon lange nicht mehr, doch er erinnerte sich an dies
alles, nun roch er nur noch den Schweiß und die Angst, spürte wie das Blut
durch die Adern floss und spürte die wärme die ein lebender Körper abgab.
Die Grabsteine standen in langen Reihen am Weg aufgereiht, die meisten waren
mit Kreuzen bestückt. Er lächelte kein, denn es war lächerlich, dachte er,
den es war ein irrwitziger Aberglaube der sterblichen, das Kreuze böse
Geister und Untote fernhielt. Er lächelte weiter kalt vor sich hin, denn er
wusste es besser. Er schritt die Reihen der Grabsteine entlang und
betrachtete sie nachdenklich, "so einen Tod hätte mich auch erwartet, währe
ich nicht das geworden was ich nun bin." Dachte er im Stillen bei sich und
strich sich dabei die langen blonden Haare aus dem jungenhaften Gesicht, er
war groß und etwas sonderbar gekleidet. Sein Blick viel auf einen marmornen
Engel der im Mondlicht stand, er ging auf ihn zu und betrachtete ihn, strich
mit einen Finger über das steinerne Gesicht an den eine steinerne Träne
hinab lief. "Was hast du getan, das du weinst?". sagte er leise, mehr zu
sich selbst,. er schaute noch einen Augenblick auf das Gesicht des Engels,
bevor er sich abwand. Eine Trauer hatte ihn ergriffen, die er nur zu gut
kannte, die Trauer im etwas, was er vor langer zeit verloren hatte. Es war
noch vor der Zeit gewesen als Unsterblicher, er erinnerte sich gar nicht
mehr, wie viel Jahrzehnte es schon her war, seit er zu dem geworden war, und
nun jede Nacht seinen unbändiges Verlangen nach den Lebenssaft der
sterblichen stillen musste.
Sie hieß Kassandra, und war seine große Liebe gewesen, doch es war eine
unerfüllte Liebe gewesen. Sie war an einer Krankheit gestorben, die nur der
schwarze Tod genannt wurde. Er hatte Tag und Nacht an ihren
Krankenbettgewacht, die Bilder der längst vergangenen zeit durchfluteten
ihn. Stille Tränen rannen seine Wangen hinab, und er schaute wieder den
kleinen Marmorengel , der einsam auf der leeren Grabplatte stand an. "
Kassandra, warum hat man dich genommen, mein kleiner Engel. Unsterblichkeit,
was bringt sie mir, ohne dich? Ich würde tauschen, könnte ich nur wieder mit
dir wieder vereint sein!". Er Kniete sich nieder und schaute auf das grab,
Verzweiflung überkam ihn, Tränen rannen über seine Wangen und zerschelten
auf der Grabplatte. Sein Blick war von Tränen getrübt, als er sich müde
erhob, noch ein letztes mal berührte er die steinernen Träne des Engels. Dann
drehte er sich herum und ging den kleinen weg entlang. Gräber säumten den
kleinen Weg, doch er beachtete sie nicht, hier und da leuchteten Kerzen auf
den Grabstätten. Er hatte nie verstanden wofür diese Kerzen gut sein
sollten, aber er fand diese Tradition der Sterblichen sehr hilfreich. Er
lächelte kalt, als er daran dachte, wie viele ihm wegen solcher Traditionen
über den weg gelaufen waren. Er verspürte nun auch den Durst, der anfing ihn
zu quälen, und er ging etwas schneller. Die Nacht war nicht mehr allzu lang
und er musste sich beeilen, wie er feststellte durch einen Blick zum
Horizont. Doch mit schrecken stellte er nun auch fest, dass die Nacht viel
weiter fort geschritten war, als er geglaubt hatte. Mit eiligen Schritten
verließ er den Friedhof , und trat auf die mit Laternen gesäumte Straße
hinaus, er lauschte, doch es war alles still. Als er weiter ging, vernahm
man kein Geräusch, seine Schuhe, die schon etwas aus der mode gekommen
waren, verursachten kein Laut, auf den kalten Asphalt. Er wusste das er sich
beeilen musste, bevor die Sonne aufging und die ersten Strahlen ihn berühren
würden. Er eilte eine kleine Seitengasse entlang, die nur spärlich
beleuchtet war, die Häuser standen aneinander gedrängt. Er erblickte eine
Bewegung an einen Hauseingang, der Duft von leben stieg ihm in die Nase, er
lächelte und bemerkte nicht das bereits der Morgen bereits dämmerte. Er
eilte auf den Hauseingang zu und traf dort auf einen jungen Mann, der an die
Wand gelehnt, da stand, und nicht mehr ganz nüchtern war. Er trat auf den
jungen Mann zu und lächelte, doch der reagierte nicht auf sein lächeln. Er
trat nun näher und verschmolz mit den Schatten der Wand, er faste den
Haarschopf des jungen Mannes, riss den Kopf zu Seite so das der hals
entblößt war, er hörte wie das Blut in den Adern rauschte. Seine gier
übermahnte ihn und er trank gierig den Lebenssaft, er spürte wie der junge
Mann in sich zusammen sank, er ließ ihn zu Boden gleiten. Sein Durst war
gestillt, für heute, das letzte Zucken des Körpers, der auf der erde lag,
verriet ihm das der junge Mann tot war. Er wandte sich zum gehen, blieb aber
mit schreck geweiteten Augen stehen und starrte zum Horizont. Die ersten
Sonnenstrahlen krochen über die Häuser und fielen bereits auf die Straße,
und immer schneller breiteten sie sich aus, und berührten ihn. Seine haut
wurde schwarz, wo auch immer die Sonne ihn traf. Er schrie seinen Schmerz
hinaus, wand sich in Todeskrämpfen, so lange bis er zu Asche zerfallen war.
Ein kleines Häufchenasche blieb von ihm übrig, der Wind wehte es fort. Trug
die Asche hoch in den Morgenhimmel, und sie flog, keiner weiß wohin. Nur ein
kleiner Teil der Asche blieb an einen Marmorengel hängen, dieser Engel
lächelte und seine Tränen waren versiegt.