Die Wiederkehr 

Wie konnte das nur passieren? Wo bin ich? Morgan rieb sich den Kopf, als er sich aufsetzte. Darin schienen tausend Fledermäuse herum zu schwirren. Nicht nur sein Kopf fühlte sich schmerzhaft an, sein ganzer Körper war zerschunden und er hatte eine tiefe Schnittwunde an der Hand. Sie schmerzte fürchterlich. Was war passiert? Er musste eine Weile warten bis sich das Schwindelgefühl in seinem Kopf gelegt hatte, doch dann sah Morgan sich um. Was machte er hier in diesen Katakomben? Und wie kam er hier her? Der Ort kam ihm erschreckend bekannt vor, doch er war sich sicher, dass er noch nie im Leben hier gewesen war...in diesem Leben. Schon wieder diese seltsamen Gedanken, als würde ihn eine Stimme in seinem Kopf zurecht weisen.
Morgan stand auf und drehte sich einmal um die eigene Achse. Ja jetzt fiel ihm ein wo er diesen Tunnel schon einmal gesehen hatte. In der Eingangshalle des Bürokomplexes in dem er arbeitete, hing ein Bild davon. Doch das erklärte noch nicht, wie er hier her gekommen war. Das Letzte an das er sich erinnern konnte, ist der Kneipenbesuch mit Martin, seinem neuen Arbeitskollegen. Er war neu in der Stadt und Architekt. Doch Morgan konnte sich nicht vorstellen, dass, der zwar etwas sonderliche, Martin etwas mit der Sache zu tun hatte. Doch wo war er? Sie waren zusammen losgegangen, denn Martins Wohnung lag auf seinem Heimweg. Und woher hatte er diese verflixte Schnittwunde...
Morgan versuchte vorsichtig sich vollends aufzurichten, denn er war sich nicht ganz sicher, ob der Tunnel auch hoch genug war, sodass er sich aufrecht darin bewegen konnte. Es war fast ganz dunkel, und Morgan verfluchte sich dafür, dass er das Rauchen aufgegeben hatte, denn dann hätte er wenigstes ein Feuerzeug als Lichtquelle gehabt. Doch so konnte er nur schemenhaft erkennen, was sich in seiner Umgebung befand. Wie kam er hier nur wieder raus? Vielleicht hört mich ja jemand, wenn ich um Hilfe rufe. Also schrie Morgan so laut er konnte, aber es schien sinnlos zu sein. Als seine Stimme anfing heiser zu werden, hörte er Schritte hinter sich. Ruckartig drehte er sich um und zuckte zusammen, als er die schattenhafte Gestalt vor sich erblickte. „Wer sind sie?“ rief Morgan aufgebracht mit zitternder Stimme. „Tztztz Morgan...Erkennst du mich denn nicht? Ich bin es, dein lieber Kollege Martin. Ich hoffe es gefällt dir in meiner Behausung! Es ist natürlich nur vorübergehend, bis ich etwas Neues gefunden habe.“ „Martin? Das kann nicht sein. Wie gut das du hier bist! Ich weiß auch nicht wie ich hier her gekommen bin“
Plötzlich wurde Morgan bewusst, was sein Kollege da gesagt hatte. Behausung? HIER wohnte Martin? Das konnte nicht richtig sein. „Martin du hast zu viel getrunken, hier kann doch kein Mensch wohnen.“ „Da hast du recht Morgan. Aber wer sagt denn, dass ich ein Mensch bin?“ Mit diesen Worten stürzte sich Martin auf Morgan. „Ich wusste von Anfang an, dass du leichte Beute sein würdest! Vertrauensselig wie ein kleines Mädchen, dem man eine Puppe schenkt. Du solltest besser aufpassen, wem du hinterher läufst!“ Martin riß den Mund auf und Morgan sah an Stelle seiner Eckzähne große Fänge. „Was hast du vor?“ Morgan stand die Todesangst im Gesicht. Er war verwirrt und wusste nicht, was mit ihm geschah. Das musste alles ein böser Traum sein. Martins Fänge kamen seinem Hals immer näher.
Morgan schlug so fest zu, wie er konnte. Martin taumelte zurück und rieb sich das Kinn. „Damit hast du nicht gerechnet du Ungeheuer, was?!“ Er fuhr herum und versuchte zu fliehen, doch Martin war schneller und erwischte Morgan an der Schulter. Mit seinen Krallen riß er ihm die Schulter auf. Was hatte Martin für eine Verwandlung durchgemacht? Du kennst sie, du hast sie selbst vor hunderten von Jahren durchgemacht! Schon wieder diese Stimme. Nein! Er konnte sich nicht erinnern, er wollte es nicht. Martin hatte ihn diesmal fester im Griff. „Noch einmal entkommst du mir nicht! Aber ich muss sagen, es tut gut mal ein Opfer beißen zu können, dass sich wehrt! Mich ekeln diese jämmerlichen Geschöpfe an, die starr vor Schrecken ihr Ende hinnehmen und nichts unternehmen. Hätte ich gar nicht von dir gedacht Morgan. Aber es wird dich trotzdem nicht beschützen.“ Morgan erschauerte unter dem harten Spott, der Martins Stimme kalt werden ließ.
Morgan versuchte mit aller Macht Martin, oder das was Martin einmal war, von sich zu schieben. Ich will das nicht! Das wollten deine Opfer auch nicht! Meine Opfer? Morgan hatte plötzlich die Bilder von schreienden Menschen im Kopf. Er hielt sie in seinem Armen und sah mit Genuss zu, wie sie starben. Noch bevor Morgan sie richtig realisiert hatte, waren die Bilder wieder verschwunden. 
Die Kurze Zeit der Unachtsamkeit hatte ausgereicht, um Martin noch näher kommen zu lassen. Er streckte Morgans Kopf so weit zurück, dass sein Hals ungeschützt dargeboten wurde. „NEIN!“ schrie Morgan. Du kannst es aufhalten! Martin kam näher und näher.. Du weißt wie es geht. Du hast es nur sehr lange nicht versucht! In Morgan brach eine Tür auf, von der er nicht einmal wusste, dass sie da war. Und doch kam ein vertrautes Gefühl über ihn. Plötzlich merkte er wie die Schnittwunde in seiner Hand verschwand. Ein Schmerz durchzuckte ihn, wie eine heiße Woge. Gerade als Martin seine Fänge in Morgans Hals stoßen wollte, um sich an seinem Blut zu laben, stieß Morgan ihn mit einem gellenden Aufschrei weg. Martin taumelte nach hinten und starrte ihn an. 
„Was zum...“, „Ja Martin, du siehst richtig, auch ich bin kein Mensch.“ Morgan richtete sich auf und streckte sich, als wäre er aus einem langen Schlaf erwacht. „Ich fühle mich voll Macht und Energie, ich muss dir danken Martin. Du hast es geschafft die dunkle Seite meines Lebens wieder zu erwecken.“ Mit drohenden, langsamen Schritten näherte er sich Martin, nun war er es, der starr vor Schreck zurück wich. „Das ist nicht möglich, ich hätte es wissen müssen... Ich hätte es doch gespürt!!“ „Ach hättest du das?“ Martin schrie auf als Morgan noch näher kam. „Als Dank dafür, dass du mich auferstehen lassen hast, werde ich dich nicht töten, noch nicht! Verschwinde Martin und sei auf immer Wachsam. Ich werde dich jagen und vernichten“ Nicht viel war von Morgans vertrauter Stimme übrig geblieben. Sie ist rau geworden und ließ Martin schaudern. Mit einem letzten entsetzten Blick drehte er sich um und stürmte in die Dunkelheit, während Morgan laut lachend da stand und seine neue Gestalt in einer vom Mond beschienenen Wasserlache betrachtete. 
Endlich sind wir auferstanden! Die vertraute Stimme seiner Gedanken leitete Martin aus den Katakomben und ließ ihn das erste Mahl seines auferstandenen Ichs zu sich nehmen.

von: Hananel