Die Zuflucht

(Copyright 2001 by Heshthot Sordul)

Katzengleich verschmolz er mit den Schatten der Nacht, welche ihn aufnahmen, ein Stück seines Weges beschirmten, um ihn dann wieder zu entlassen, bis er in ein anderes Schattenfeld eintauchte. So war er ihnen immer entkommen. Doch es wurde immer schwieriger. Immer enger zogen sie ihr Netz aus Angst, Vorurteilen, bigotter Moral und Spießigkeit um ihn herum zusammen. Und er wusste, dass er ihnen nicht mehr lange entkommen könnte, wenn er nicht endlich eine Zuflucht finden würde, in welcher er sich wenigstens für ein paar Stunden ausruhen und neue Kräfte sammeln könnte. Einen Ort, an dem es möglich war, sich mit Gleichgesinnten zu treffen und auszutauschen. Gleichgesinnte, Vampyre wie er, deren Gemeinschaft stark genug war, um einen Trutzwall gegen die Anfeindungen, Verleumdungen und Angriffe jener aufzurichten, die in ihrem beschränkten Geist immer wieder meinten, Wesen wie ihm Schaden zufügen zu müssen, die der arroganten Meinung verfallen waren, alles vernichten zu müssen, was anders war, lebte und dachte, wie der spießige eintönige und graue Mob, welcher sich gerade jetzt wieder an seine Fersen geheftet hatte und ihn erbarmungslos jagte. Mit einem oder zweien wäre er ohne Probleme noch selber fertig geworden. Doch nun hatten sie sich zusammengerottet, bildeten eine zähflüssige Masse aus Intoleranz und Hass und suchten ihn dort hineinzuziehen, um ihn entweder anzupassen oder zu vernichten. Aber er war nicht willens, dies geschehen zu lassen. Er wusste, irgendwo dort draußen in der Dunkelheit gab es Wesen wie ihn. Sie mussten dort einfach irgendwo sein. Und er würde sie finden. Musste sie finden! Denn er verspürte bereits die Kälte der Resignation tief in seinem Inneren, die ihn schwächte und die, sollte sie sich weiter ausbreiten, dafür Sorge trug, dass er sich früher oder später wohl aufgeben würde und dem Mob nicht mehr entwischen konnte. Er war sich im Klaren darüber, dass es dann um ihn geschehen war. Denn er besaß nicht die Kraft, sich alleine gegen die graue Masse der Eintönigkeit zu behaupten. Sicherlich gab es solche, die das konnten. Die über genügend innerer Kraft und Fähigkeiten verfügten, um alleine klar zu kommen. Doch zu diesen beneidenswerten Vampiren zählte er sich nicht. Er war sich selbst gegenüber ehrlich genug, um sich einzugestehen, dass er Hilfe benötigte, um sich nicht vom Mob einfangen und vernichten zu lassen. Und diese Hilfe musste schnell kommen. Er sehnte sich nach Gesellschaft, ihn verlangte es nach ehrlichen Gesprächen, in welchen er sein wahres Wesen nicht verbergen musste, er brauchte ehrlichen Zuspruch, um dadurch gestärkt den Kampf wieder aufnehmen zu können, den er nie wollte und dem er zu fliehen versuchte, wann immer es möglich war. So wie jetzt Er musste fliehen, denn er fühlte sich zu ausgelaugt, um zu kämpfen. Aber die Jäger kamen immer näher. Schon peinigten ihre Ausdünstungen seine Sinne. Es stank nach Intoleranz und Engstirnigkeit. Und zwar mittlerweile schon so penetrant, dass ihm übel davon wurde. Wieder stach ihm die kalte Flamme der Resignation kurz in sein dunkles romantisches Herz. Wäre es nicht einfacher, sich ihnen anzupassen? War es dieses Spießrutenlaufen und sich verstecken und verstellen tatsächlich wert. Was, wenn er sich selber verleugnen würde, um nicht mehr gegen die graue Masse abzustechen? Wenn er mit den Hunden heulen und es aufgeben würde, ein dunkler Wolf zu sein? Wäre dann nicht alles einfacher? War es das alles wirklich wert? Er schüttelte sich. Nein! Er durfte nicht aufgeben, nicht jetzt und nicht hier. Er musste weiter suchen. Einen dieser Orte, an denen er frei war. Frei zu denken, zu fühlen und zu sein. Einen dieser Orte an denen er verstanden und respektiert wurde. Einen dieser Orte die es doch einfach geben musste. Die Kälte zog sich wieder tief in sein Inneres zurück. Noch einmal war es ihm gelungen, sie niederzuringen. Doch wie oft noch würde ihm dieses gelingen? Er horchte erschreckt auf. Schon drangen ihm die leeren Parolen seiner Peiniger in den Ohren und ihr Gestank überlagerte alles andere. Sie waren nah. Zu nah! Mit einem Seufzen machte er sich wieder auf den Weg. Er musste weg. Weg von diesem Mob, welcher ihm nach der Seele trachtete. So hetzte er durch die dunklen verwinkelten Gassen, mied die großen hellen Straßen und versuchte zu entkommen. Doch es schien, als hätten sie ihn eingekreist. Wo immer er versuchte sich zu verstecken, um neue Kraft schöpfen zu können, ihr verderbter Gestank war schon dort. Immer enger zogen sie die Maschen des Netzes zusammen und es wurde ihm mit Schrecken klar, dass sie ihn nun bald erlegt hätten. Mit letzter Kraft verbannte er die Kälte wieder, die ihm aufs Neue einflüsterte: ,,Ergib Dich. Gib auf. Werde einer von ihnen. Du kannst das. Bestimmt! Dann hast Du Ruhe, musst nicht mehr fliehen. Nimm ihren Geruch an, dann stört Dich der Gestank nicht mehr. Gehe mit ihnen jagen, dann bist Du nicht mehr einsam. Reihe Dich ein, wie es alle tun. Schone Deine Kraft und schwimme mit dem Strom. Sei doch nicht dumm. Gib auf. Aber noch wollte, noch konnte er sich nicht verleugnen. Und so rannte er weiter, gehetzt von einem Mob, dem er nie etwas schlechtes getan hatte. Dem er nie etwas schlechtes hatte tun wollen. Er wollte doch nur in Ruhe gelassen werden. Warum nur hassten und verachteten sie ihn nur so? Niemals hatte er Blut getrunken, welches ihm nicht mit Liebe und Freude überlassen worden war. Nie hatte er Gewalt angewendet, denn er hasste Gewalt. Keinem hatte er je einen Schaden zugefügt. Und doch jagten sie ihn wie ein Tier mit ihren falschen Ansichten, mit ihren aus Unkenntnis geborenen Aggressionen. Würden sie sein Wesen kennen, sie würden ihn nicht jagen. Aber sie wollten ihn ja gar nicht kennen lernen, sie wollten ihn ja hassen. Sie brauchten ein Feindbild und hatten sich unter anderen ihn und seine dunklen Artgenossen dazu auserkoren. Eine mehr als zweifelhafte Ehre, auf welche er gut und gerne verzichtet hätte. Und wieder wurde der Gestank unerträglich. Sie waren da. Überall um ihn herum. Er konnte bereits in ihre ausdruckslosen Gesichter sehen und ihre leeren Augen im Zwielicht der Nacht erkennen. Er sah sich um. Gab es denn keinen Ausweg mehr? Um ihn herum nur massive Wände mit verschlossenen Türen. Die, welche offen waren verströmten den Gestank der Jäger. Er duckte sich, bereit kämpfend unterzugehen, als sich eine kleine Tür öffnete. Eine blasse Frau sah ihn mit funkelnden blauen Augen an. Langes blondes Haar umrahmte ihr schönes Gesicht. Sie blickte ernst, erkannte die Gefahr in welcher er schwebte und winkte ihm näher zu kommen. Was hatte er für eine Wahl? Mit einem Satz war er bei ihr, sie gab ihm den Weg frei und er schlüpfte an ihr vorbei, hinein in die dunkle Kühle des Kellers. Sie schloss die Tür und deutete auf eine Treppe. ,,Dort hinauf, durch die Tür oben wieder hinaus und dann dem Weg nach oben folgen. Rasch!" Er nickte ihr zu und folgte ihrer geflüsterten Anweisung, zu überrascht, um klar denken zu können. Auf halbem Weg die Treppe hinauf, hielt er inne und blickte zurück um sich zu bedanken. Aber der dunkle Engel welcher ihm diesen Fluchtweg aufgezeigt hatte, war bereits in den Schatten verschwunden. Er lief weiter, fand die Tür und gelangte durch sie wieder nach draußen. Wie ihm geheißen folgte er dem Weg, der tatsächlich gewunden nach oben führte. Doch auch hier war bereits der üble Geruch des Mobs zu riechen. Er war also noch nicht entkommen, hatte nur wieder ein wenig Vorsprung gewonnen. Und diesen wollte er ausnutzen. Keuchend lief er weiter. Fast am Ende seiner Kräfte angelangt. Und pausenlos nagte die Kälte an seinem Herzen. Der Weg stieg stetig an und die Häuser wurden kleiner, bis sie gänzlich verschwanden und einem Park wichen. Er tauchte ein in die kühlen Schatten des Waldes. Dort lehnte er sich an einen rauen Stamm um sich ein wenig auszuruhen. Sollte er es endlich geschafft und den Mob abgehängt haben? Fast schien es so. Doch nur zu schnell sah er, dass er sich getäuscht hatte. Zuerst kam der faule Geruch, dann sah er durch die Äste der Büsche die flackernden Lichter der Jäger dringen, welche die Dunkelheit durchschnitten und ihn suchten. Er musste weiter. Fort von hier. Würde das denn niemals enden? Früher hatten sie ihm nichts anhaben können. Ihr Gestank und ihre Präsenz waren an ihm abgeglitten ohne Schaden zuzufügen. Doch dann drang das Schlechte, welches die graue Masse der Eintönigen gegen ihn schleuderte in ihn ein, wie ein scharfer spitzer Pf lock und pflanzte die Kälte in ihn. Seit dem war er einsam auf der Flucht. Zwar traf er ab und zu einen, von dem er annahm, er wäre wie er selbst. Doch sicher konnte er sich da nie sein. Und nur zu oft wurde er tatsächlich enttäuscht und roch hinter der aufgeschminkten Fassade irgendwann den Gestank. Und mit jeder Enttäuschung gewann die Kälte in ihm an Kraft und Größe. Fast wäre er ihr erlegen, als er tatsächlich eine große Gemeinschaft Gleichgesinnter traf. Einige Zeit fühlte er sich geborgen und unter Freunden. Doch dann sprach er vom Bluttrinken und die Fassade, welche ihn geblendet hatte, zerbrach in tausend Stücke. Sofort waren sie da und verpesteten die Luft mit ihrem Atem, der nach Lüge und Verstellung stank. Selbst dort unter anderen Vampiren waren sie, die intoleranten, heuchlerischen Möchtegerns, welche schlimmer waren, als die Jäger. Denn diese standen zu ihrem Hass und kannten es nicht anders, während sich erstere in die Schatten der Nacht hüllten, mit ihnen spielten und erst ihr wahres Gesicht zeigten, wenn einer kam, der in und durch diese Schatten lebte. Dann zerbarst ihre Maskerade und offenbarte schlimmeren Gestank, als die Jäger ihn jemals verströmen konnten. Diese Erfahrung hatte ihm fast den Rest gegeben, als er sich vor Schmerz und Enttäuschung taumelnd, wieder in seine Einsamkeit flüchtete, während die Kälte in ihm zu wachsen begann. Das schlimmste an dieser Erfahrung war nicht, dass es unter den Wesen der Nacht solche gab, die sich nur verstellten, die sich vom Zauber der Nacht angezogen fühlten, ohne jedoch die Nacht selber zu fühlen, sondern die Tatsache, dass ihm unter all den Vampiren dort nur eine einzige Person, ein elfenhafter weiblicher Vampir, beistand, während alle anderen entweder zu den Heuchlern gehörten oder sich vor deren Urteil so fürchteten, dass sie sich nicht trauten, ihm - einem von ihnen, wie er dachte - beizustehen. Dieser Schlag war hart und es brauchte lange, bis er sich davon erholt hatte. Doch nun ging es ihm fast, wie zu jener Zeit. Er war völlig erschöpft und die Kälte hatte sein Herz bereits wieder in ihren eisigen Klauen. ,,Gib auf! Wehr Dich nicht mehr! Beende Deine unnütze Flucht!" Aber er wollte noch nicht aufgeben. Denn es gab solche, die waren wie er. Hatte nicht jene Vampirelfe ihm geholfen? Hatte nicht diese anmutige blonde Schönheit ihm noch eben beigestanden? Er war nicht alleine. Daran glaubte er ganz fest. Er musste die anderen nur treffen. Nicht jene, die stark genug waren, für sich selber zu sorgen, jene welche dem grauen seelenlosen Mob aus eigener Kraft trotzen und ihn verlachen konnten. Denn diese würden ihn wohl nur verachten, ob seiner Schwäche. Nein - er suchte verzweifelt diejenigen, welche waren wie er. Die auch ab und an die Gesellschaft und den Zuspruch Gleichgesinnter benötigten, um sich nicht in ihrer Einsamkeit zu verlieren. Und er fühlte, dass diese nicht mehr fern waren. So wendete er den Blick ab von den immer näher kommenden Lichtern seiner Verfolger und lief leichtfüßig tiefer in den Wald des großen Parks, bis er den Rand des Waldes erreichte. Hier blieb er stehen und schaute auf das Szenario, welches sich ihm bot. Eingebettet in den großen Park stand dort ein großes Gebäude mit Türmen und Erkern, umfasst von einer nicht sehr hohen Mauer auf welcher ein paar Fackeln brannten. Aus einigen Fenstern des Anwesens drang Lichtschein und es schienen sich dort Leute aufzuhalten, denn ihm war, als könne er ab und an jemanden an den Fenstern vorbeigehen sehen Eine breite Treppe führte zum Hauptportal des Gebäudes. Auch dort meinte er Personen erkennen zu können. Sowohl welche, die das Gebäude betraten, als auch solche, die es verließen. einige standen auf der Treppe und schienen sich zu unterhalten. Das Haus schien noch ausgebaut zu werden, denn es befand sich ein kleines Gerüst an einem der Nebengebäude. Fasziniert schaute er zu dem Gebäude herüber und vergaß dabei fast den Mob, welcher hinter ihm immer näher kam. Doch dann vernahm er wieder den Gestank. Er schaute sich um und sah durch die Bäume hindurch den Lichtschein wieder näher kommen. Fluchend machte er sich wieder auf den Weg. Um die Lage zu peilen entschloss er sich, das Gebäude einmal zu umrunden, um sich ein genaueres Bild zu machen. So gelangte er schließlich an die Rückseite des Gemäuers. Er staunte nicht schlecht, als er dort eine Landebahn und einen kleinen Hangar vorfand. Vor diesem stand eine altmodische schwarze Propellermaschine. Da seine Verfolger weit und breit noch nicht zu sehen waren ging er zu dem Flugzeug und betrachtete es. Eine wirklich schöne Maschine. Plötzlich ein Geräusch über ihm. Erschreckt zuckte er zusammen und blickte nach oben. Dort stand ein schlanker, dunkel gekleideter Mann mit schulterlangem dunklem Haar, der trotz der nächtlichen Dunkelheit eine kleine Sonnenbrille trug. Lässig schwang er sich von der Tragfläche und landete geschmeidig neben ihm. Kurz grinste der Pilot, denn um diesen handelte es sich wohl, ihn an, dann ging er über den schmalen mit Steinfliesen versehenen Weg auf ein kleines Tor zu, welches sich in der Hecke befand, welche die Grenze des kleinen Flugplatzes zu sein schien. Leicht knarrend öffnete sich dieses, der Pilot trat hindurch und verschwamm mit den Schatten der Nacht. Unschlüssig blieb er unter dem Jagdflugzeug stehen. Sollte er dem dunklen Piloten folgen? Der leichte Hauch des penetranten Geruches, welchen er so hasste, stieg ihm wieder in die Nase stieg half ihm bei seiner Entscheidung.

Er folgte dem Pilot und trat durch das kleine Tor. Nach ein paar Schritten durch einen kleinen verwilderten Garten stand er vor dem Gebäude. Direkt neben ihm befand sich ein Fenster. Durch die vorgezogenen Vorhänge drang matter Lichtschein. Drinnen ertönte ein Lachen. Außerdem schien irgendwer ein Gedicht zu rezitieren. Langsam schlich er an der Hausmauer entlang, bis zum nächsten erleuchteten Fenster. Auch hier konnte er aufgrund eines Vorhanges nicht in das Zimmer schauen, aber es schien dort drinnen eine angeregte Diskussion stattzufinden, wie er an den teils ruhigen, teils aufgeregten Stimmen erkennen konnte. Allerdings schien es sich seiner Meinung nach nicht um einen Streit zu handeln. Worum es genau ging, konnte er aus den Wortfetzen nicht entnehmen und so schlich er weiter bis er die Gebäudeecke erreichte. Nachdem er den folgenden Erker hinter sich gelassen hatte, befand er sich auf der Nebenseite des Gebäudes. Von hier aus konnte er den Vorplatz teilweise überblicken. Mehrere dunkle Schatten bewegten sich dort, teils auf das Haus zu, teils sich vom Haus entfernend. Aber den muffigen Gestank des Mobs konnte er nicht riechen. Im Gegenteil, das Gemäuer schien Ruhe auszustrahlen. So ging er mit erhobenem Haupt zur Frontseite. Ein paar Blicke streiften ihn kurz, schienen ihn aber nicht weiter zu beachten. Er blickte zum Hauptportal hinauf. Es handelte sich um eine große sich nach oben verjüngende Doppeltür, auf welcher ein großes rot-silbernes Wappen angebracht war, auf dessen Schild ein aufgeschlagenes Buch über einem Ankh schwebte. Beherzt stieg er die Stufen empor und rechnete damit, dass das Tor verschlossen sei. Doch dem war nicht so. Leicht öffnete sich die schwere Tür und er trat ein.

Ein von unzähligen Kerzen beleuchteter großer Vorraumbegrüßtee ihn. Viele gemütliche Sitzecken waren über den gesamten Raum verteilt, an den Wänden befanden sich große Bilder mit Portraits und es befanden sich viele Türen in den Wänden. Auf diesen waren Schilder aus Messing angebracht. Er las einige dieser Schilder und stellte fest, dass darauf stand, wohin die Tür wohl führte. Unter anderem las er: ,,Bibliothek", ,,Le Salon d'amour", ,,Blutbar", ,,Studierzimmer" und einige weitere von der Lobby abgehende Räume. Und bis auf eine mit einer Dämonenfratze verzierten Stahltür schienen alle anderen für jeden frei zugänglich zu sein. Der Vorraum war gefüllt mit Personen, meist in schwarze Kleidung gehüllt, die zum Großteil eine dunkle Aura ausstrahlten. Dann wurde er bemerkt und fürchtete bereits aus diesem Kreise ausgeschlossen zu werden. Aber dem war nicht so. Er wurde angelächelt und um ihn herum erklangen die Stimmen der Anwesenden: ,,Sei gegrüßt Gast!", und ,,Hallo Gast, neu hier?" oder ,,Salve, wie ist Dein Name?" Benommen und überrascht von so viel ungewohnter Freundlichkeit blieb er erst einmal stumm und ging, sich immer wieder umsehend, durch die Menge. Dabei rempelte er versehentlich eine zierliche Person an, die in einen dunklen Kapuzenumhang gehüllt war. Für einen kurzen Moment zog die Person die Kapuze aus dem mit blauen Haaren umrahmten hübschen Gesicht, lächelte und zwinkerte ihm kurz zu. Dann verschwand ihr Antlitz wieder im Schatten der Kapuze und die junge Lady wandte sich einem schlanken gutaussehenden Mann zu knuffte ihn leicht in die Seite und hakte sich bei ihm ein. Er konnte es nicht glauben. Sollte er sie wirklich gefunden haben, die Zuflucht, die er so lange schon suchte? Sein Blick fiel zufällig in eine dunkle Ecke. Auf einem gemütlichen Ledersofa sah er eine alte Bekannte Es handelte sich um die elfengleiche Vampir-Dame, die ihm damals als einzige unter vielen beigestanden hatte. Nur dass ihr Haar nun nicht mehr blond sonder dunkel war. Zärtlich legte sie gerade ihren Arm um die breiten Schultern ihres Gefährten, eines Vampirs mit kurzen strohblonden Haaren. Sie flüsterte ihm etwas ins Ohr, er nickte, und sie biss ihn zärtlich in den Hals und leckte die Blutstropfen auf, welche aus der kleinen Wunde sickerten. Währenddessen streichelte er sanft über ihr Haar und genoss ihr Tun. Aus den Augenwinkeln schien sie ihn gesehen zu haben und ohne in ihren Liebkosungen innezuhalten, winkte sie ihm kurz zu. Er wendete sich ab, denn er wollte diese intime Situation nicht mit seiner Aufmerksamkeit stören. Ein Gefühl der Wärme durchzog seinen Geist. Denn obwohl hier bestimmt nicht alle Anwesenden Bluttrinker waren, schien sich niemand an diesem Akt der Verbundenheit zu stören. Jetzt wo er darauf achtete, sah er einige Paare, deren Liebe zueinander unverkennbar war, die sich mit den anderen Anwesenden unterhielten und Spaß hatten. Es wurde herumgeflachst und viel gelacht, doch sah er auch andere, welche in ernste Gespräche und Diskussionen vertieft waren. Und immer wieder wurde er freundlich begrüßt. So auch von einem weiteren ihm bekannten Gesicht. Die schöne Lady, welche ihm vor kurzer Zeit die Flucht ermöglicht hatte, indem sie ihn durch das Kellergewölbe gehen ließ und die ihm den Weg hierin gewiesen hatte, winkte ihm freundlich zu. Ihr Begleiter, ein Hüne von Mann nickte ihm ebenfalls stumm aber nicht unfreundlich zu, wobei er das schwere Amulett, welches der Mann um den Hals trug, als Mjölnir erkannte, Thors Hammer. Er erwiderte die stummen Grüße und sah sich weiter um. Ihm fiel auf, dass er einige der Anwesenden auf den Bildern, welche an der Wand hingen, wieder erkannte. Sie schienen hier heimisch zu sein. Bei seinem Gang durch die Lobby des Gebäudes war er an einer Tür angelangt, welche die Aufschrift ,,Bibliothek" trug. Sie war angelehnt und so betrat er den Raum dahinter.

Fackelndes Kerzenlicht ließ lebhafte Schatten über die Buchregale tanzen, welche sich rings um ihn an den Wänden des Raumes befanden. Auch hier gab es mehrere Sitzecken, die aber bis auf eine, welche in der Mitte des Raumes stand, nicht besetzt waren. Außer ihm befanden sich nur noch zwei weitere Personen in diesem Raum. Es handelte sich um zwei Männer, welche zusammen auf einem großen schwarzen Ledersofa saßen und sich unterhielten. Aus den paar Worten, die er aufschnappen konnte, erfuhr er, dass es wohl um die Verwaltung der Bibliothek ging. Dann bemerkten die beiden ihn und erhoben sich. Der eine weitaus jüngere der Beiden war fast einen Kopf größer, als der ältere. Beide trugen lange schwarze Ledermäntel und schwarze Hosen aus dem selben Material. Die dunkelblonden Haare des einen waren länger, als die des größeren, welcher seine Haare recht kurz geschoren trug, und es schimmerte ­bereits einiges Grau darin. Auch trug der ältere der beiden im Gegensatz zum glattrasierten Gesicht des jüngeren, einen Oberlippen- und einen schmalen Kinnbart. Beide waren recht blas und waren mit einer Aura der Ruhe umgeben. Der Ältere kam lächelnd auf ihn zu und reichte ihm die Hand, an dessen kleinem Finger ein silberner Ring mit schwarzem Stein glänzte, während sich am kleinen Finger der anderen Hand ein breiter Silberring mit einem aufgesetzten Ankh befand. Verwirrt reichte er dem Vampyr die Hand und dieser sagte mit ruhiger Stimme: Salve Gast! Schätze wir hatten noch nicht das Vergnügen. Sei willkommen in meinen Hallen. Ich hoffe Du fühlst Dich wohl hier!" Dann ergriff er seine Hand mit festem Griff und schüttelte sie zur Begrüßung. Und auch der jüngere hob seine Hand und begrüßte ihn mit den Worten: ,,Salve! Willkommen in der Vampyrbibliothek Gast. Sag, wie ist Dein Name?" Nun endlich nannte er den Beiden seinen Namen und erwiderte den Händedruck. Denn nun wusste er endlich, dass er gefunden hatte, was er suchte. Den Ort, an dem er willkommen war. Den Ort, an dem ihn niemand anklagen würde, ob dessen, was er war. Den Ort, an welchem man ihn verstand und den Ort, an dem man es sicher nicht zuließ, dass sich der nach Intoleranz und Falschheit stinkende graue Mob breit machte, um sein tückisches Gift zu verspritzen. Er wusste nun, dass er seine neue Heimat gefunden hatte - die Vampyrbibliothek!