Konfrontation...

 

Langsam schritt Jessica also zurück. Und der Alte bewegte sich immer noch nicht. Fast war

es, als spiele er mit ihr. "Wie eine Katze mit der Maus, ehe sie zuschnappt..." dachte sich

Jessica. Die Gedanken spornten sie an. Mit ein paar Schritten war sie im Haus und warf die

Tür hinter sich zu. Sie sah durchs Fenster. Der Alte war verschwunden. Dennoch wagte sie es

nicht, die Tür zu öffnen. Vielleicht war er nur aus dem Blickfeld des kleinen Fensters

verschwunden.

Aber so schnell?

"Unmöglich..." mischten sich ihre Gedanken wieder ein. Jessica sah sich um. Der Flur war

leer. Nur die kleine Tür zum Keller stand immer noch offen. Jessica lehnte sich gegen sie und

schloß sie mit ihren Rücken. Vielleicht konnte sie so das Grauen dort unten aus ihren

Gedanken vertreiben und von sich fern halten.

Gehetzt sah sie sich erneut um. Hatte das Haus einen zweiten Eingang?

Bestimmt!

Das Problem war, er kannte ihn, sie nicht. Und das machte sie nervös.

Also eilte sie zurück in das Wohnzimmer und sah sich gehetzt um. Ihr Blick fiel auf die

Bilder, die überall herumstanden. Sie dachte in diesem Moment an die toten Augen, an den

Wahnsinn unter ihr und konnte nicht anders. Ihr rechter Arm fegte die Bilder zu Boden.

Klirrend zersprangen einige der Gläser. Jessica trat auf ein weiteres.

Wieder sah sie sich um. Neben dem Kamin standen eiserne Schürhaken. Zum ersten Mal war

sie es, die kalt lächelte als ihre Hände den Haken umfassten. Sie hob ihn und ließ ihn durch

die Luft sausen. Wenn er ihr noch einmal zu nahe kommen würde konnte er ja damit

Bekanntschaft schließen. Vielleicht würde sie ihm damit ein paar Beulen beibringen. Oder ein

paar mehr als nur ein Paar. Auf jeden Fall würde sie sich teuer verkaufen!

Krachend fegte der eiserne Haken weitere Bilder von einem Regal und letztlich sogar das

Regal selbst von der Wand. Jessica lachte wieder. Freier und erleichtert...

Die Waffe gab ihr ein Gefühl von Machtausgleich. Er war ein alter Mann. Wahnsinnig

vielleicht aber er musste ihr einfach unterlegen sein. Sie zitterte, weil sie seinen eisernen Griff

gespürt hatte, der so gar nicht zu seinem Alter passte...

Bis er in der Tür stand. Auf einmal war er wieder da. Lautlos und ohne Regung wie immer.

Sie hatte nicht einmal gehört, das er die Haustür geöffnet hatte. Jessica stand da, schwer

atmend, körperlich fast völlig geschafft. Aber sie fühlte die Kühle des Metalls in ihren

Händen. Sie sah den Alten an. Der blickte durch das Wohnzimmer. Dann lächelte er.

Wieder kalt und ohne Reaktion. "Leg das Eisen weg..." sagte er nur. Er sah zu Boden und auf

die Reste der Bilder, die dort lagen. Und zum ersten Mal drückte sein Gesicht etwas anderes

aus:

ZORN!

Seine Stimme war tief und schien aus der Mitte seines Körpers zu kommen. Sie klang so

anders. Irgend etwas war an dieser Stimme, das sie nicht erkannte. Jessica aber schüttelte den

Kopf.

"Versuche doch ihn mir abzunehmen..." schrie sie nur und hob drohend das schwere Metall.

Er sah sie direkt an. "Willst du das wirklich...?" fragte er nur und Jessicas Selbstsicherheit

brach zusammen. Sie spürte die Tränen. Jessica wollte sie nicht aber sie kamen.

Der Alte trat einen Schritt vor und streckte die Hand aus. "Gib es mir..." sagte er. Seine

Stimme war sanft und dennoch kalt. Beinahe einlullend, betörend...

Jessica schüttelte wie ein trotziges Kind den Kopf. Sie wusste immer noch nicht, was der Alte

alles für Alpträume begangen hatte. Aber eines wusste sie, legte sie das Eisen weg, war sie die

nächste.

Er trat noch einen Schritt vor und sah zu, wie sie ausholte. Jessica merkte gar nicht, wie

langsam sie war. Aber sie legte alles in den Schlag, was sie noch hatte. Und der Alte Mann

machte keine Anstalten auszuweichen. Das Eisen traf ihn an der rechten Schulter. Der

Aufprall war so stark, das Jessica nicht länger mehr Kraft aufbieten konnte. Klirrend fiel der

Schürhaken zu Boden. Und der Alte stand immer noch. Er vorzog nicht einmal eine Miene.

Langsam bückte er sich und hob den Schürhaken auf. Er hob ihn hoch, zeigte ihn ihr.

"War das alles...?" fragte er nur langsam.

Jessica lachte auf. Sie verlor fast den Verstand.

Er drehte den Schürhaken ein paar Male und hielt ihn ihr dann wieder wie ein schreckliches

Präsent hin. "Versuch es noch einmal...". Jessica zögerte, griff dann aber zu. Der Alte war

verrückter als sie geglaubt hatte. Triumphierend schrie sie auf. Weit holte sie aus. Diesmal

wollte sie nicht auf die Schulter zielen. Diesmal wollte sie es richtig machen. Wut, Angst und

der ganze Horror brachen mit einmal über sie zusammen und aus ihr heraus. Mit beiden

Händen hielt sie die Stange und hob sie hoch über den Kopf. Und der Alte grinste nur.

Es war das Grinsen, das alle Schranken in ihr brach. Sie ließ das Eisen niedersausen. Für eine

halbe Sekunde war es in der Luft. Während dieser Spanne sah sie ihm direkt in das Gesicht.

Er verzog keine Miene obwohl er wusste, was kam.

Das Geräusch das folgte war schrecklich.

Dumpf.

Trotz aller Wut hatte Jessica ihren Schwung abgebremst. Dennoch war sie sich sicher, den

entscheidenden Schlag zu landen. Die Brechstange landete direkt auf dem Schädel mit den

schütteren, weißen Haaren. Der Kopf des Mannes wurde zur Seite gerissen und Jessica

torkelte durch den Schwung nach vorne. Dann kippte der Körper des Mannes lautlos nach

hinten.

"Jaaaa du Bestie. Wie fühlt sich das an...?!" schrie sie aufgebracht. In der Hand immer noch

das Eisen. Bis sie die regungslose Gestalt des Alten vor sich sah. Regungslos lag er auf dem

Bauch. Im Fallen hatte er sich gedreht. Sein Gesicht war von ihr gedreht aber Jessica hatte

keinen Zweifel, das er tot war. Sie brauchte nur an dieses Geräusch denken. Unmöglich das er

noch lebte.

Sie lachte wieder leise und wirr auf. Ihre Hände öffneten sich ruckartig und das Metall klirrte

auf den Boden. Eine ganze Weile stand sie so da. Regungslos und blickte auf die Gestalt des

Alten nieder. Und langsam begriff sie, was sie getan hatte. Dann kam das Zittern und der

Schock...

Es war so stark, das sie schwankte und sich an dem Türrahmen halten musste. Mit Schrecken

sah sie auf den Alten. Was immer er getan hatte, sie hatte ihn getötet. Einen Menschen. Sie

hatte ihn ausgelöscht...!

 

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