Lilith

Die erste bildliche Darstellung der Todesgöttin Lilith, Terrakotta-Relief aus Sumer, um 1950 v. Chr. Die "Eulengöttin", häufig gleichgesetzt mit der archaischen Grossen Mutter oder Dreifachen Göttin, ist als Mischwesen aus Vogel und Mensch dargestellt, welches die Schlüssel des Lebens in ihren Händen hält (Man beachte die Ähnlichkeit mit einem Ankh). Nach christlichen Legenden stand die Eule für Ungehorsam gegen Gott und galt als "Nachthexe", die zu Liliths Töchtern, den Lilim gehöre.

Buch Jesaja 34:14f

"Da werden Wüstenkatzen und Hyänen einander treffen,
Bocksdämonen einander rufen;
dort wird auch Lilith sich zur Ruhe legen,
und einen Platz zum Schlafen finden. Dort wird die Eule nisten
und schlafen und Eier legen und brüten in ihrem Schatten."


Der Name Lilith wird vom babylonischem Wort Lilitu abgeleitet und bedeutet übersetzt Windgeist. Im alten Testament (Jesajas 34,14) wird sie als weiblicher Dämon ( die Nächtliche = Lilith) erwähnt, ihren Ursprung hat sie allerdings eher in der babylonischen Mythologie, wo sie als Lilitu auftritt. Ihre sumerische Entsprechung findet sie in der Kiskill-illa. Im Talmud gilt sie blutsaugendes Nachtgespenst, als ein Weib des Teufels. Die kabbalistische Schrift Sohar zeichnet ihr Bild in den typischen erotischen Fantasien sex- und frauenfeindlicher Männer. Mitunter wird sie aber auch als göttliches Geschöpf genannt, wie in Griechenland, wo sie sich mit Hekate verband.

Oft wird sie von Kopf bis Nabel als wunderschöne Frau dargestellt, hüftabwärts aber als brennendes Feuer, was ein  eindeutiger Verweis auf ihre starke erotische Leidenschaft sein dürfte.

Das ihr zugeordnete Tier ist die Eule, die sowohl als Sinnbild der Weisheit, wie auch als Totenvogel und als Symbol für Ungehorsam gegen Gott gilt.


Die Geschichte, woher die Dämonen kommen, welche ihr "Unwesen" auf der Erde treiben, taucht in den Kulturen der Welt in ähnlicher Form auf. In der jüdisch-christlichen Tradition gibt es folgende Variante, die in einer Schrift aus dem 9. oder 10. Jahrhunder n. Chr. steht, aber nie Eingang in die Bibel gefunden hatte:

Als Gott Adam erschaffen hatte, stellte er fest: "Es ist nicht gut, dass der Mensch alleine sei".

So erschuf er ihm eine Gehilfin und zwar ebenso aus der Erde, wie er es bei Adam getan hatte. Diese erste Frau ward Lilith (hebräisch: die Nächtliche)  geheissen.

Doch diese war mit der ihr zugedachten Rolle nicht einverstanden und beschwerte sich, als Adam beim Geschlechtsverkehr oben liegen wollte, weil er der spendende Himmel und sie die empfangende Erde sei:

"Warum soll ich unten liegen? Bin ich nicht ebenso aus Erde geschaffen, wie Du? Und bin ich deshalb nicht ebenso viel wert wie Du?"

Als sie aber sah, dass sie Adam nicht überwältigen konnte, sprach sie den unaussprechlichen Gottesnamen aus, erhob sich in die Luft und verließ Adam.

Dieser sprach zu Gott: "Herr der Welt, die Frau, die Du mir gegeben hast, ist von mir gegangen."

So schickte Gott drei Engel zu Lilith, auf dass diese sie zurückbrächten und ihr sagten:

"Gott hat beschlossen, wenn Du zurückkehren willst, ist es gut. Wenn nicht, musst Du es ertragen, dass zu Deiner Strafe, jeden Tag hundert Kinder durch Dich sterben müssen."

So suchten die drei Engel nach Lilith, wie Gott es ihnen aufgetragen hatte und fanden sie schliesslich in eben jenem reissenden Wasser, welches später die Ägypter verschlingen sollte. Dort hatte  sich Lilith Dämonen zu Liebhabern genommen und gebar 100 Kinder an einem Tag.

Und die Engel überbrachten ihr den Befehl Gottes. Doch sie weigerte sich, mit ihnen zurückzukehren.

Da sagten sie zu ihr: "Wir müssen dich in diesem Wasser ertränken."

Aber sie bat und sagte: "Lasst mich, denn ich bin dazu geschaffen worden, kleine Kinder zu verderben. Wenn es ein Knabe ist, werde ich acht Tage, wenn es ein Mädchen ist, werde ich zwanzig Tage Gewalt über das Kind haben."

Als sie ihre Worte hörten, drängten sie noch mehr, dass sie ihnen gehorche. Da sagte sie:

"Ich schwöre euch im Namen des lebendigen und großen Gottes: Wenn ich eure Namen auf einem Amulett geschrieben sehen werde, dann werde ich das Kind nicht schädigen."

Sie nahm es auch auf sich, dass jeden Tag hundert ihrer Kinder starben. Wenn wir jetzt diese Namen auf ein Amulett schreiben, dann erinnert sie sich dieses Schwures und das Kind ist gerettet. Die Namen der Engel sind: Sanvai, Sansanvai und Semangloph

 

Seither spielt Lilith  in der jüdischen Magie/Mythologie eine wichtige Rolle wie auch im Zohar  und in der Kabbalah. Sie erwürgt des Nachts Kinder (spielt aber mit ihnen, wenn sie im Schlaf lachen!), eignet sich als Succubus den männlichen Samen an, tötet die Männer oder macht sie krank. Im »Sefer Chassidim« (um 1200) sitzt sie als lauerndes Gespenst auf Bäumen, von deren Zweigen dann Blut tropft.


Die Macher des Vampir-Rollenspiels "Vampire - the masquerade" machten sich die Legende Liliths zunutze und erschufen aus Lilith die Urmutter aller Vampire, indem sie Lilith mit ihrem Blut Kain zum ersten Vampir wandeln  liessen:

 

In der Dunkelheit half ihm seines (Kains) Vaters erste Frau: Lilith, sie machte ihn stark und mächtig. Da er die Gnade Gottes nicht annehmen wollte, wurde er verflucht von ihm: er und seine Kinder würden ewig leben, sie würden nur Asche und Blut essen und sie würden das Sonnenlicht fürchten, da es sie verbrennen wird. Doch Kain war stark und als der Zeitpunkt recht war, da flüchtete er aus dem Land der dunklen Königin Lilith und erschuf seine ersten Kinder.

Und so  lassen sie Kain in diesem fiktiven Buch, welches Teil des Rollenspiels ist und von den Autoren dieses Rollenspiels geschrieben wurde, über Lilith sagen:

 

 

Liliths Ankunft

Ich (Kain) war allein in der Dunkelheit
und ich verspürte Hunger
Ich war allein in der Dunkelheit
und mir ward kalt
ich war allein in der Dunkelheit
und ich weinte.

Dann sprach zu mir,
eine süße Stimme,
eine Honigstimme
Worte des Beistands
Worte des Trostes

Eine Frau,
dunkel und lieblich
mit Augen, die
die Dunkelheit durchdrangen
kam zu mir.

"Kain von Nod"
sagte sie lächelnd.
"Du hast Hunger. Komm!
Ich habe Nahrung.
Dir ist kalt. Komm!
Ich habe Kleider.
Du bist traurig. Komm!
Ich habe Trost."

Wer würde einen trösten,
der verflucht ist wie ich?
Wer würde mich kleiden?
Wer würde mich nähren?"

"Ich bin deines Vaters erste Frau,
die mit ihm droben uneins war
und Freiheit errang in der Dunkelheit
Ich bin Lilith!

Einst war mit kalt,
und es gab keine Wärme für mich
Einst war ich hungrig,
und es gab keine Nahrung für mich
Einst war ich traurig,
und es gab keinen Trost für mich."

Sie nahm mich auf,
sie nährte mich.
Sie kleidete mich.
In ihren Armen fand ich Trost
Ich weinte, bis Blut aus meinen Augen rann
und sie küßte es fort.

Lilith Magick

Und ich wohnte eine Zeit lang
im Hause Liliths
und ich fragte sie:
"Wie hast du diesen Ort
aus Dunkelheit erbaut?
Wie hast Du Kleider gemacht?
Wie hast du Nahrung wachsen lassen?"

Und Lilith lächelte und sprach:
"Im Gegensatz zu Dir bin ich erwacht.
Ich sehe die Fäden,
die rings um dich gesponnen sind.
Ich mache,
was ich brauche,
aus Macht!"

"Dann erweckt mich Lilith", sprach ich.
"Ich brauch diese Macht.
Dann kann ich meine eigenen
Kleider machen,
meine eigene Nahrung machen
mein eigenes Haus."

Sorgevoll runzelte sie die Stirn.
"Ich weiß nicht, was das
Erwachen mit dir tun wird,
denn du bist wahrhaft verflucht
von deinem Vater.
Du könntest sterben.
Du könntest auf ewig verändert sein."

Kain sprach: "Und dennoch,
ein Leben ohne Macht
wird nicht lebenswert sein.
Ich stürbe ohne deine Gaben.
Ich werde nicht als dein Knecht leben."

Lilith liebte mich,
und ich wußte es.
Lilith würde tun,
worum ich sie bat.
wenn sie es nicht wollte.

Und so erweckte mich Lilith,
Lilith mit leuchtenden Augen.
Sie schnitt sich mit einem Messer
blutete für mich in eine Schale.

Ich trank in tiefen Zügen.
Es war süß.
Und dann fiel ich in den Abgrund.
Ich fiel auf immer, fiel
in die tiefste Dunkelheit.

(aus dem Buch NOD)


In der Realität  ist Lilith heute eine zentrale Symbolfigur des jüdischen Feminismus:

Jüdische Feministinnen verwenden gern die alte Form des Midrasch, um ihre Anliegen zu formulieren. Besonders um die Gestalt Liliths, der ersten Frau Adams (nach einer Interpretation des ersten Schöpfungsberichts), kreisen solche neuen Midraschim gern. Der folgende Midrasch übernimmt Elemente der alten Erzählungen um Lilith. Er schreibt aber auch den bekanntesten feministischen Midrasch weiter, Judith Plaskows "Das Kommen Liliths".

Am Anfang schuf Gott Adam und Lilith aus dem Staub der Erde und blies ihnen den Lebensatem ein. Da sie beide gleich erschaffen worden waren, waren sie einander in jeder Hinsicht gleichgestellt. Adam, als Mann, passte dies nicht, und er verlangte von Lilith, dass sie sich ihm unterordne. Lilith weigerte sich, rief Gottes heiligen Namen an und flog weg. Sofort beklagte sich Adam darüber bei Gott. Gott schickte drei Boten zu Lilith, um sie zur Rückkehr zu Adam aufzufordern. Sonst werde sie bestraft. Lilith aber wollte nicht mit einem Mann zusammenleben, der sie nicht als Gleichgestellte behandelte, und sie beschloss, dort zu bleiben, wo sie war.

Als Ersatz für Lilith „baute" (banah, 1. Mose 2. 22) Gott für Adam eine zweite Frau aus Adams Seite: Eva, die nun nicht mehr gleich wie Adam „erschaffen" (jazar, 1. Mose 2. 7), sondern als „eine Hilfe ihm gegenüber" „gebaut" wurde. Während des Schöpfungsprozesses wurde so, entgegen Gottes ursprünglichem Schöpfungsplan, die Frau verkleinert – so wie dies auch beim Mond gegenüber der Sonne geschehen war (Chullin 60 b).

Adam und Eva waren zunächst glücklich miteinander. Mit der Zeit aber verspürte Eva gelegentlich Fähigkeiten in sich, die unentwickelt blieben, und Adam begann sich mit der angepassten Eva zu langweilen. Immer häufiger träumte er von Lilith, und eines Tages überstieg Adam, als Eva gerade am Kochen war, die Mauer des Gartens Eden, um Lilith zu suchen. Er dachte, ihr fehle sicher der Mann, sodass er sie leicht zu seiner Nebenfrau machen könnte. Als er Lilith fand, war sie gerade mit dem Studium der Tora beschäftigt – nicht unserer Tora aus Tinte und Pergament, sondern der mit schwarzem Feuer auf weisses Feuer geschriebenen Ur-Tora, die auf Gottes Knie ruht. Auch Adam studierte gelegentlich die Ur-Tora, und er gab vom Gelernten an Eva das weiter, was ihn für sie gut dünkte und ihm nützte. Lilith freute sich über Adams Besuch, da sie hoffte, mit ihm zusammen die Tora studieren zu können. Aber es störte Adam, dass sie gleich viel oder teilweise noch mehr wusste als er, und er weigerte sich, mit ihr zu lernen. Statt dessen versuchte er, Lilith zu seiner Nebenfrau zu machen. Als ihm dies nicht gelang, kehrte er zu Eva zurück. Nun begann er immer intensiver von Liliths unerreichbarer Schönheit zu träumen. Eva aber erzählte er (indem er die Situation umkehrte), dass Lilith nachts zu ihm geflogen komme, um ihn zu verführen. Sie sei eine Dämonin und mit dem Satan liiert.

In Wahrheit aber interessierte sich der Satan weniger für die starke und gelehrte Lilith als für die angepasste und frustrierte Eva, der er Schlechtes über Lilith erzählte. Auch plante er die Vertreibung Adams und Evas aus dem Garten Eden. Eva war empfänglich für das Böse, das der Satan von Lilith erzählte, und sie glaubte auch Adams verdrehte Geschichten über Lilith.

Inzwischen machte Lilith, die völlig allein war, hin und wieder den Versuch, in die menschliche Gemeinschaft im Garten zurückzukehren. Nach ihrem ersten vergeblichen Versuch, die Mauern zu durchbrechen, verstärkte Adam die Mauer, und Eva half ihm sogar noch dabei. Dabei erhaschte Eva einen Schimmer von Lilith und sah, dass sie eine Frau war wie sie.

Jetzt hätten bei Eva eigentlich Zweifel aufkommen sollen, ob die Geschichten Adams und des Satans, Lilith sei eine Dämonin, wirklich stimmten. Sie hätte sich eigentlich bemühen sollen, Lilith als andere Frau, als Schwester wirklich kennenzulernen. Eva und Lilith hätten so gemeinsam die Verkleinerung der Frau wieder rückgängig machen, damit den ursprünglichen Schöpfungsplan verwirklichen und die Erlösung herbeiführen können. Sie hätten dabei die Unterstützung Gottes gehabt, da Gott wachsende Probleme mit Adam hatte, der sich mehr und mehr mit Gott identifizierte und immer mächtiger wurde.

Doch das Gift, das Adam und der Satan Eva eingespritzt hatten, war stärker. Statt sich zu fragen, was sie in ihrem Leben und in ihrer Beziehung zu Adam ändern müsste, um aus ihrer Unzufriedenheit herauszufinden, stilisierte sie sich (zumal sie inzwischen einen Sohn geboren hatte) zu einer Art rundum glücklichen Muttergöttin hoch, wozu Adam sie auch noch ermunterte. Gleichzeitig blickte sie voll Verachtung auf die gelehrte Lilith, die Gleichstellung mit Adam wollte. Sie dichtete Lilith alles Böse an, das sie in sich selbst verspürte und das dem strahlenden Bild, das sie sich von sich selbst machte, widersprach.

Als Eva eines Tages der Gartenmauer entlangspazierte, sah sie einen jungen Apfelbaum, den sie und Adam einst gepflanzt hatten und dessen Zweige über die Mauer hinüberhingen. Sie kletterte hinauf und schaute über die Mauer. Drüben hatte Lilith auf diesen Augenblick gewartet und kam voll Freude zu Eva, in der Hoffnung, in ihr eine Schwester zu finden. Eva jedoch wollte nur die Gelegenheit benützen, um alles Dunkle in sich auf Lilith zu laden und sie damit in die Wüste zu schicken. Sie warf Lilith alle Verleumdungen an den Kopf, die ihr Adam und der Satan über Lilith eingeflüstert hatten, und beschimpfte sie als ehrgeizige Egoistin, die nicht bereit sei, sich für Adam aufzuopfern, und die nicht geduldig warten konnte, bis Adam ihr gewisse Dinge zu tun erlaubte. Lilith wandte Eva enttäuscht den Rücken zu und ging weg.

Seither wartet Lilith jedes Jahr, wenn die Zeit von Rosch Haschana, dem Geburtstag der Schöpfung, und von Jom Kippur, dem Versöhnungstag, herannaht, darauf, dass Adam und Eva zu ihr kommen, um sich mit ihr zu versöhnen, damit sie gemeinsam die Verkleinerung der Frau rückgängig machen und so den ursprünglichen Schöpfungsplan verwirklichen und die Erlösung herbeiführen können. Die Söhne Adams und die Töchter Evas und Liliths tragen den Zwiespalt zwischen den ersten Menschen bis in unsere Zeit weiter. Bis heute werden Liliths Töchter weiter ausgegrenzt. Die Zeit von Rosch Haschana und Jom Kippur wäre ein guter Zeitpunkt, um dies zu überdenken und sich zu versöhnen – und um den ursprünglichen Schöpfungsplan endlich zu verwirklichen.