Volksglaube Vampir


Dem Volksglauben Südosteuropas zufolge ist der Vampir ein Wiedergänger, ein lebender Leichnam, der seinem Grab entsteigt und den Menschen das Blut saugt. Ein genauer Ursprung für diesen Mythos lässt sich nicht erforschen und ist hypothetisch. Es ist anzunehmen, dass auf Grund der Völkerwanderung, Eroberung durch fremde Kulturen und durch das Nomadentum sich ein Stück zum anderen fügte. So sind auch die Unterschiede in den verschiedenen Regionen erklärbar. Ein Erklärungsversuch anhand der verwendeten Worte im Zusammenhang mit Vampir ist aussichtslos, veranschaulicht aber den Fremdeinfluss anderer Kulturen.

Zum Vampir kann nahezu jeder werden, zu jeder Zeit und in jedem Alter. Schon bei der Geburt kann durch ungünstigen Termin oder bei besonderen Geburtsmalen die Prognose gestellt werden, dass ein Mensch nach seinem Tod umher wandelt. Diesem Schicksal entkommt auch nicht jener Tote, der zu Lebzeiten etwas Wichtiges versäumt hat. Es gehört zum Leben dieser Menschen dazu, dass man den Bund fürs Leben eingegangen haben muss. Damit unverheiratete Tote nicht als Vampir wiederkehren, wird posthum eine Hochzeit gefeiert. Lebt ein Dorfbewohner außerhalb der sozialen Norm, vielleicht ist er besonders geizig, verschwenderisch, ein Dieb, gotteslästerlich oder einfach nur zugewandert, macht ihn allein das verdächtig. Aber ein wichtiger Punkt ist die penible Einhaltung der örtlichen Sterberiten. Wird hierbei ein Fehler gemacht, so muss der Tote wiederkehren. Dabei kann es schon reichen, dass ein Schmetterling ein offenes Grab überfliegt, der Tote mit dem Kopf zuerst aus seinem Haus getragen wird, eine Katze über den aufgebahrten Leichnam springt oder der Verstorbene nicht sofort nach Eintritt des Todes gewaschen wird. Jede Störung der Beerdigungszeremonie kann fatale Folgen haben.

Dass ein Mensch durch den Biss eines Vampirs selbst dieses Schicksal teilt, entspringt der Literatur und ist im Volksglauben unhaltbar. In den Berichten aus dem 18. Jahrhundert ist kein Vermerk auf etwaige Bissspuren. Lediglich wird bei der Exhumierung verdächtiger Leichen Blut in den Mündern gefunden. Doch ist das vampirische Bluttrinken metaphorisch zu verstehen. Es gibt bei keiner Schilderung die Beobachtung, dass ein Vampir tatsächlich gebissen hat. In den meisten Fällen standen die Wiedergänger in einer Ecke des Raumes und waren eher untätig.

Zum Schutz vor Vampirattacken gibt es verschiedene Möglichkeiten. So werden Kindern Kränze aus Knoblauch umgehängt, an Häusern Weißdorn befestigt und Türen mit Senf eingerieben. Religiöse Symbole bieten auch eine gewisse Sicherheit. Aber letztendlich gibt es kein hundertprozentiges Mittel.

Ist der Verdacht erst mal ausgesprochen und der vermeintliche Schuldige gefunden, wird zu drastischen Mitteln der Vernichtung gegriffen. Um den Vampir endgültig ins Jenseits zu befördern, wird er gepfählt, ihm wird der Kopf abgehackt oder er wird verbrannt. Die sicherste Methode ist, alles auf einmal zu machen.

Der Volksglaube deckt mit diesem Mythos eine Lücke in der Religion. Besonders der christlich-orthodoxe Glaube in Südosteuropa bleibt eine Antwort schuldig, was mit der Seele zwischen Tod und Jenseits geschieht. So haben sich die Menschen ein eigenes Bild für diesen Übergang geschaffen.